"Früher war ich ein richtiger Arsch!"

... sagt er und wischt sich den Schweiß von der Stirn. "Frag meine Frau", keucht er und beugt sich über den Anhänger, "die wird dir das bestätigen!"

Schon komisch, welche Wendungen manche Gespräche nehmen: Da bedanke ich mich bei ihm für seine Hilfe, die gefahrenen Extra-Kilometer und das Dabeibleiben bis zum Feier-Schluss. Und dann wabert dieses Statement zwischen uns und dem beladenen Auto.

04. Juli 2023

Sein Bekenntnis geht mir nicht mehr aus dem Hirn. Und weil ich den Grund für seinen Turnaround erfahren möchte, rufe ich ihn an.
"Ich will wissen, warum du ein Arsch warst", höre ich mich sagen. 
"Komm vorbei", tönt's aus dem Handy. 

Zwei Stunden später hocken wir zu dritt im Garten. Seine Frau ist auch dabei. Bücher der Vergangenheit werden geöffnet: Wie er jahrelang nur an sich gedacht, Prioritäten falsch gesetzt, Gemeinde, Gottesdienst und Glaube in die Tonne entsorgt und dabei nur sich selbst verachtete.
Ein Arsch. Durch und durch und immer und immer wieder.  
Seine Frau beugt sich zu ihm hinüber und streichelt seine Hand. "Ein richtiger Arsch warst du, das stimmt, aber du hast dich verändert."
Die beiden schweigen. 
So wie damals. Sie hätte ihn ja fragen können, ob er sich sein Eheleben nicht ganz anders vorstellt, der Familie oberste Priorität einräumen, dem Glauben eine zweite Chance geben will. Vielleicht hätte er sich bei zu vielen Fragen in Luft aufgelöst.

"Ich habe mich breit schlagen lassen, eine Freizeit zu besuchen", unterbricht er die Stille. "Dort erzählten Leute, was sie mit Jesus erlebten und was der Glaube ihnen bedeutete. Mich hat einer gefragt, ob ich auch was zu erzählen habe und ich konnte nur den Kopf schütteln. Was kann einer wie ich denn auch erzählen?"

Er hält die Hand seiner Frau. Ihr Blick ist ohne Vorwürfe. Sie gingen gemeinsam durch die Zeit, haben den Horror gemeinsam überstanden. 

"Die Freizeit war der Wendepunkt", sagt er nach einer Weile. "Ich habe mich mit dem, der mir diese Frage stellte, getroffen. Immer wieder. Wir haben auch telefoniert und er hat mir geholfen. Heute bin ich ein anderer Mensch."

Ich verstehe.
Das Ende seiner Geschichte. Vollzogene Veränderung. Ich nehme meinen Helm, ziehe den Reißverschluss der Jacke nach oben und umarme ihn. "Danke fürs Erzählen", sage ich viel zu leise und fahre wieder zu mir nach Hause. 

Unterwegs sehe ich Gesichter vor mir. Leute, die sich in ihrem Leben festgefahren haben. Und wieder einmal und ganz neu verstehe ich, dass Glauben ohne Anwendung lieb-lose Egoshooter produziert. Typen, die kein Mensch ertragen kann. 

Eigenartig, was passiert, wenn wir aufs Anklagen verzichten; wenn wir stattdessen unseren Erste-Hilfe-Spezial-Koffer öffnen, kurz überlegen, welches Mittel zum Einsatz kommt. 
Dieser Koffer ist riesig und doch leicht zu transportieren. Zwei Kaffeetassen gibt's; eine Flasche Bier. Zeit. Ein paar Geldscheine. Die Bibel. Viel Gebet. Ein Autoschlüssel. Taschentücher. 
Jeder von uns hat diesen Koffer. Und jeder entscheidet, wann und ob er ihn öffnet. 
Denn selbst der letzte Arsch darf wieder zu einem Menschen werden, weil er weiß, dass er von Gott geliebt und nicht vergessen ist. 
Nur sagen ... sagen muss es ihm jemand. Diesem Mensch. 


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