Mit verheultem Gesicht in den Himmel

Er hat diesen Satz gesagt, als würde er ihn nicht zum ersten Mal aussprechen, sondern als hätte er ihn tausendmal mit sich selbst besprochen – nachts, im Dunkeln, wenn niemand fragt, wie es einem geht und man selbst längst aufgehört hat, nach einer Antwort zu suchen.

29. April 2025

„Ich werde im Himmel tausend Jahre weinen“,
sagt er, und senkt den Blick.
Nicht, weil ihm das peinlich ist, sondern weil das, was er meint, zu heilig ist für Augenkontakt.

Da sitzt ein Mann, der kein großes Leben hatte – jedenfalls keines, das man posten oder ausstellen würde. Ein Leben, das sich leise zwischen Rechnungen, Rückschlägen und ständig neuen Anläufen abgespielt hat. Eins, in dem zu viel gefordert und zu wenig aufgefangen wurde.
Und trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – sieht man etwas in seinen Augen: diese fast trotzig wirkende Hoffnung,
dass das alles noch nicht das Ende ist.

Er hat sich festgehalten an Jesus; oder sagen wir besser: Er hat es versucht. Nicht in leuchtenden Glaubensmomenten,
sondern in grauen Alltagen, in diesen Stunden, in denen die Stille so laut ist, dass man sich selbst kaum noch hört.

Und jetzt stelle ich mir vor, wie er ankommt – nicht als Held, nicht als einer, der etwas vorzuweisen hat, sondern einfach als Mensch, mit leeren Händen und einem vollgestopften Herz.
Ich sehe ihn, wie er nicht steht, sondern fällt – in diese Arme, die nicht loslassen. Und dann bricht es auf, all das, was sich ein Leben lang angestaut hat:
die Tränen, die Wut, die Erleichterung, das „Endlich“.
Und ich glaube: Es wird ihn überwältigen.
Nicht das Licht. Nicht die Musik.
Sondern die schlichte Tatsache, dass er es wirklich geschafft hat.

Jesus wird da stehen – wie einer, der sich nicht wundert.
Der wartet. Der nichts sagt, sondern einfach da ist.
Und der dann tut, was er versprochen hat: uns die Tränen abwischen.
Nicht, weil sie falsch sind, sondern weil sie da sein dürfen –
aber nicht bleiben müssen.

Vielleicht sieht so der Himmel aus: nicht zuerst wie eine goldene Stadt, sondern wie eine Umarmung, in der alles raus darf, was man ein Leben lang zurückgehalten hat.

Und vielleicht ist das am Ende gar kein peinlicher Gedanke –
sondern ein schöner: Mit verheultem Gesicht in den Himmel zu kommen und von Jesus selbst getröstet zu werden.


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