Wenn nichts passiert.

„Ich bin echt am Überlegen, was mir der Glaube noch bringt. Es passiert nichts und Gott redet auch nicht mit mir!“

18. Oktober 2022

Sie starrt aus dem Fenster. Vor ihr steht eine Tasse mit kaltem Kaffee; die Menschen, die sich an ihr auf der Suche nach einem freien Platz im Café vorbeischieben, bemerkt sie nicht.

„Verstehst du, da ist nichts. Nichts!“ Sie schüttelt ihren Kopf und starrt auf die schwarze Flüssigkeit. Dann sprudelt es aus ihr heraus:

„Der eine behauptet, du musst nur richtig beten, um Wunder zu erleben. Der andere will dir beibringen, wie du Gott hörst. Ich lese gerade ein Buch, wie man sein Geld richtig spendet und Gott einen dafür segnet. Und soll ich dir sagen, was in meinem Leben passiert? Glaubenstechnisch?“

Sie macht eine lange Pause und starrt mich an. Ich kenne ihre Antwort schon.

„Nichts. Nichts passiert.“ Sie entlässt den aufgestauten Atem durch ihren offenen Mund ins Freie und schickt noch ein „null!“ ihrem Frust hinterher.

Ihr Blick lässt keinen Zweifel: Sie will einen Kommentar von mir.

Ganz ehrlich? Blödes Thema. Weil:

Harry Barry verspricht in seinem Buch, dass du Gott wie nie zuvor erleben kannst. Marie Karie versichert ihren Lesern, dass der himmlische Herrscher alle Krankheiten heilen will. Billi Milli will uns in seiner Predigt beten lehren, damit unser Alltag mit Wahnsinns Wundern überflutet wird. Schnupfi Wupfi fordert uns auf, Gott mit unseren Wünschen zum Schwitzen zu bringen. Und Ella Tella? Die grinst aus einem rosa Sessel vom Cover ihres neuen Buches. Es geht um Lebens- und Glaubenstipps. Ein leichteres Leben soll her. Sie weiß, was zu tun ist. Behauptet sie zumindest. Über 700.000 Follower auf ihrem Insta-Kanal scheinen ihr Recht zu geben.

So what?!?

Hilfreich ist ein schneller Flug über die Bibelgeschichte:

Da wäre Mose. Er wird oft und gerne zitiert. Definitiv hat dieser Mann Wunder erlebt. War er scharf darauf? Genaugenommen wollte er bei seinen Schafen bleiben; seinen immer gleichen Alltag ausleben.

Nächstes Beispiel: Abraham. Geht’s um das Thema Besitz und Geld, fällt sein Name. Waren seine Mitarbeiter alles kleine Abrahämmer? Nope.

Gideon. Wieder so ein Glaubensheld. Dass ihm die Düse bis zum Anschlag brummte, als er billige Tonkrüge zerschmettern und mit Ölfackeln wedeln sollte, um mit dieser Taktik ein professionell-riesiges Heer zu besiegen, darf nicht verschwiegen werden.

Maria. Glaubensheldin. Aber auf einem Esel durch die Pampa wackeln? Mit Kind im Bauch und drohender Fehlgeburt? Keine Übernachtung? Stall, Schmutz und Gewieher? Zusehen müssen, wie ihr Kind ermordet wird?

Ich könnte weitermachen:

All die Davids, Daniels, Johannes’ und Ruths. Menschen wie wir. Herausgerufen wie wir. Im Alltag stehend wie … wir.

Glaubende, die sich über Jahre oder Jahrzehnte an Gottes Verheißungen klammern mussten, bis sie die Erfüllung begrüßen konnten.

Hat einer von ihnen um ein Wunder gebettelt? Wollten sie großartige Erfahrungen machen? Wer von ihnen hat sich in den Vordergrund gedrängelt, um als „the next great Leader“ in die Geschichte einzugehen?

Lese ich die Begebenheiten, fällt mir auf, dass die meisten Probanden über das göttliche Meeting inklusive himmlischem Auftrag „not amused“ waren - weil die göttliche Challenge sowasvon crazy erschien. Un.Durch.Für.Bar.

Die Frau im Café antwortet mir: „Ich will gar keinen großartigen Auftrag, nur dass es mir besser geht und ich meine Zweifel überstehe, verstehst du?!?“

Sie schüttelt schon wieder ihren Kopf. „Soll ich dies oder jenes tun? Wie bete ich vollmächtig? Es. Passiert. Nichts!“

Jetzt bin ich es, der in seinen kalten Kaffee starrt. Dass von dort keine Antwort kommt, ist mir bewusst. Ich würde gerne Statements von mir lassen, die nach „warte ab, du wirst schon noch dein Wunder erleben“, klingen; oder „glaube nur und Jesus kommt zur rechten Zeit!“

Abkürzungen, um das Thema abzuhaken. Geholfen wäre damit niemand. Also stelle ich die Frage aller Fragen:

Wieso an Jesus glauben?

Um Wunder zu erleben? Um Heilungen an sich und anderen zu bestaunen? Easy alle Probleme umschiffen? Sein Leben im Griff haben?

Wer überlegt, an Jesus zu glauben, ihm jedoch Bedingungen stellt, lebt den falschen Ansatz.

Um einen klaren Blick zu bekommen, hilft auch hier ein Blick in die Bibel: Am Anfang steht die alles übersteigende Erkenntnis, dass der Sohn Gottes für mich Mensch wurde; sich für meine Schuld ans Kreuz schlagen ließ; für mich starb; mich nur der Glauben an ihn rettet.

Um diesen Schatz zu bergen, bin ich bereit, alles andere zurückzustellen. Jesus ist ab sofort mein guter Hirte; er geht voraus, ich ihm hinterher. Das Ziel: der Himmel.

Der Weg durch die Zeit führt uns in Situationen, in denen wir verzweifeln; wo wir scheitern; Krankheiten und Schmerzen unseren Körper schlagen; wo Streitigkeiten Beziehungen killen; Geldnot uns nicht schlafen lässt; dazu kommt Einsamkeit und Trauer. Der ganz normale Lebenswahnsinn. Ereignisse, auf die jeder verzichten will und sich eine schnelle Verbesserung wünscht.

Phasen also, in denen es ein Wunder braucht.

Nur deswegen an Jesus glauben? Für eine schnelle Wiederherstellung meines Wohlbefindens?

Absolut nachvollziehbar.

Doch der Glaube an Jesus geht weit über den Aspekt der schnellen Hilfe hinaus. Er ist der Messias. Der gute Hirte. Der, der den Weg zum Himmel kennt und uns zum Ziel bringt. Jesus ist Tröster, Mutmacher und Helfer. Und: Er ist der „sich-nie-aus-dem-Staub-macher“.

Die Lady schweigt und beobachtet einen Unbekannten draußen vor dem großen Schaufenster.

Nach einer Weile dreht sie sich um, starrt mich an, hebt die Hand und ruft „bitte zahlen!“


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