zurückschlagen

Ich kenne seine Geschichte. Oder zumindest so viel davon, dass es reicht, um die Faust in der Tasche zu ballen, wenn er wieder davon erzählt. Wie ihn seine eigene Verwandtschaft sitzen ließ. Wie sie ihm ins Gesicht versprachen, dass alles fair geregelt würde, und ihn dann über den Tisch zogen wie einen, der sowieso nichts dagegen tun kann. Weil er zu weich ist. Zu gläubig. Zu naiv. Weil man mit ihm alles machen kann.

13. Mai 2025

Es ist diese Sorte Ungerechtigkeit, die sich wie heißes Eisen in dir festfrisst, wenn du davon hörst.
Nicht, weil du ihn bemitleidest, sondern weil du spürst: Das hätte auch dir passieren können.
Weil du weißt, wie das ist, der zu sein, von dem man denkt, er sei zu gut für diese Welt.
Und vielleicht stimmt das sogar. Aber das macht es nicht leichter.

Er ist der, bei dem alle wissen: Der glaubt noch. An das Gute. An Gott.
An einen, der angeblich fordert, die zweite Meile zu gehen, wo andere längst kehrt machen.
Der sagt, man solle vergeben, nicht einmal, nicht siebenmal, sondern siebenmal siebzigmal.
Und weil man das über ihn weiß, nutzen sie es aus.
Und treten noch einmal nach, wenn er schon am Boden liegt.
Weil er sich ja eh nicht wehrt.

Es gibt Tage, da würde man am liebsten zurückschlagen.
Nicht nur innerlich, sondern mit voller Wucht.
Weil das, was da passiert, einfach falsch ist. Und weil Gott – so fühlt es sich an – bloß zuschaut.

„Wie lange noch, Herr, sollen die Gottlosen triumphieren?“
steht in Psalm 94,3
Ein Satz, der einem in solchen Momenten aus der Seele spricht.
Ein Satz, der nicht fragt, sondern schreit.

Und dann kommt dieser Jesus.
Nicht als Lösung. Nicht als billige Antwort.
Sondern als jemand, der sich neben dich setzt, ohne zu reden.
Der sich Zeit lässt. Der nicht wegschaut, wenn du wütend bist.
Der sich deine Wut gefallen lässt. Und dann – irgendwann – erzählt er dir eine Geschichte. Nicht irgendeine. 
Seine.

Er erzählt dir von einem Abendessen. Von engen Freunden. Vom Brotbrechen.
Von einem Mann, mit dem er jahrelang unterwegs war. Judas.
Und davon, wie dieser Judas mit kalten Händen und einem gesenkten Blick ans Tischende kommt. Wie er sich nochmal Brot nimmt, obwohl er längst entschieden hat, wie diese Nacht enden wird.
Und Jesus weiß das.

Jesus hätte aufspringen können. Ihn bloßstellen. Rauswerfen.
Aber er tut es nicht.
Er schaut ihn an. Und nennt ihn: Freund.

Wer nennt seinen Verräter Freund?

Wer wäscht dem, der dich für ein paar Silberstücke verkauft, die Füße?
Wer sitzt neben ihm, reicht ihm das Brot, lässt ihn nicht fallen – obwohl er selbst genau weiß, dass er gerade fallen gelassen wird?

Jesus tut es.
Nicht, weil er schwach ist.
Sondern weil seine Stärke eine andere ist.

Und er schaut dich an.
Dich, der du betrogen wurdest.
Dich, der du es nicht mehr schaffst, zu vergeben.
Dich, der du dich schämst, dass du überhaupt noch glaubst, dass dieser Weg richtig ist.
Und er sagt:

Ich weiß, wie sich das anfühlt.
Ich weiß, wie weh es tut, wenn Gerechtigkeit nicht kommt.
Aber ich bin bei dir.
Nicht, um dich zu vertrösten, sondern um dich zu halten.
Bis du irgendwann sagen kannst: Ich vergebe.
Nicht, weil ich muss.
Sondern weil ich frei sein will.

Denn das ist das Geheimnis, das nur der kennt, der bleibt:
Vergebung ist kein Zeichen der Schwäche.
Sie ist der Moment, in dem das Herz wieder Luft bekommt.
Und der Himmel sich ein Stück weiter öffnet.


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