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Auf der Flucht

Ich habe noch nie ein Schaf so schnell galoppieren sehen. Und da steckte definitiv kein Pferd unterm Fell. Seine Hufe knallten auf den Asphalt, Panik im Schafsgesicht – so, als ob der leibhaftige Schlachter hinter ihm her wäre.

Ich lenkte mein Bike zur Seite und ließ das Tier an mir vorbeigaloppieren.
Kein Metzger tauchte messerwetzend auf.
Kein Schäfer.
Kein Hirtenhund.
Und auch keine Polizei.

Zwei Minuten später:
Eine Schafherde blockierte den Fahrradweg. Gebeugte Häupter über Gräser und Blätter, der Schäfer hing am Smartphone und der Asphalt versteckte sich unter dunkelbrauner Pampe.

Wie ich vermutete: Das Tor zur Freiheit öffnete sich einen Spalt breit und das Rennschaf nützte seine Chance.

Bibelkenner ahnen, was jetzt kommt: Die Geschichte von Jesus, in der er sich als ein guter Hirte beschreibt – die Story von einem Mann, der sich nicht zu schade ist, nach seinem freiheitsliebenden Tiere zu suchen und es wieder in Sicherheit zu bringen. Variante 1.

Variante 2:
Nicht die Aussicht auf Freiheit und Selbstbestimmung hat das Tier die Flucht ergreifen lassen, sondern die Herde an sich: Eine Ansammlung von Schafstypen also, deren Lebensinhalt sich um Fressen und Saufen dreht; die sich melken, scheren, schlachten lassen. Mit der Begründung, dass man das ja schon immer gemacht hat und der Vater vom Vater vom Vater auch schon gefressen und gesoffen und gewollt und geschlachtet … blah blah. Määh.

Variante 3:
Flucht vor Pseudohirten. Das sind die mit dem lautesten Geblök; Alphatiere, die der Herde Flöhe in den Pelz setzen und behaupten und belegen und glaubhaft versichern, dass der zurückgelegte Weg falsch sei, der Hirte sich vom Acker gemacht habe und die Truppe nun einen neuen Chef brauche. Aufgrund Alter und Geschlecht kämen (natürlich) nur sie für diese Aufgabe in Frage.

Ich habe schon immer mit dem neugierigen Schaf sympathisiert.
Christ sein und Gehirn ausschalten? Never.
Christ sein und Traditionen pflegen? Das Ende.
Christ sein und falschen Hirten folgen? Der Untergang.

In der Geschichte aus der Bibel verdammt Jesus weder Freidenker, Grenzenaustester noch Widersprecher.

Tatsache: Ein Schaf fehlt. Vielmehr: SEIN Schaf fehlt. Dunkelheit, Raubtiere und DesertGangs halten ihn nicht davon ab, nach seinem Tier zu suchen. Als er es endlich findet, legt er das erschöpft frustriert zitternde Bündel über seine Schultern und trägt’s zurück nach Hause. Dort steigt – mitten in der Nacht – die Freudenfeier.

Dieser Blick zählt.

Es geht nicht um die Zugehörigkeit zu einer Truppe, die die Vergangenheit glorifiziert und sich der Gegenwart versperrt. Pseudo-Göttern und Möchte-gern-Jesussen verweigern wir den Gehorsam. Wir suchen die Nähe zu Jesus. Bei ihm ist Freiheit, Licht, Leben und Liebe.

Dieses verlorene Schaf, liebevoll auf den Schultern seines Herrn getragen, hatte eine super Quality – Time auf dem Nach-Hause-Weg. Um in diesen Genuss zu kommen, braucht’s keine Flucht und Lebensgefahr. Dann doch lieber ohne Umweg zu Jesus. Großmäuler ignorieren, Langweilern die kalte Schulter zeigen und sich zu Füßen des Hirten setzen.