"beißet den Herrn!"
Er ist zwei Jahre alt und liebt das Singen. Hat mein Enkel einen neuen Song auf Lager, muss ich ihn anhören.
Vergangene Woche war’s wieder so weit: Astrein intoniert mit kleinen altersbedingten Textverwaschungen versehen:„Beißet den Herrn, beißet den Herrn, beiiiiissseett den Herrn!“
Alles klar, wunderbar! Und wie.
In echt ist’s ein Kinderlied, das manchmal in der Kinderkirche gesungen wird. Da ist dann der „Herr“ Gott himself, und das „beißen“… na ja, das heißt „preisen“ und soll nichts anderes heißen als: Gott gehört die Ehre.
Es gibt Zeiten, in denen uns eher nach Beißen als nach Preisen ist.
Dann, wenn der Himmel wie vernagelt scheint und wir keinen Bock auf die einhundertvierundzwanzigste Gebetsextrarunde haben.
Kommt dann noch einer vorbei und hält uns in dieser Situation einen Vortrag über „richtiges Beten“ und „gelingendes Preisen“, dann… dann juckts im Gebiss.
„Gott gehört die Ehre“… das lässt sich lässig singen / dichten / sagen, wenn die Welt grün und der Alltag bunt ist. Tatsache: Das ist nicht immer der Fall.
Mein Freund hatte Krebs. Mehrere Male driftete er heftigst am Todesabgrund vorbei. Nicht nur einmal dachte ich: „Das schafft er nicht mehr“.
An einem seiner besseren Tage wollte ich von ihm wissen, wie er diese Achterbahnfahrt erträgt. Nach einer kurzen Pause flüsterte er: „Ich gebe Gott immer wieder neu die Ehre!“
„Was bedeutet das konkret?“, wollte ich wissen.
Er massierte seine Finger.
„Ich habe Gott angeschrien!“
Ein Hustenreiz unterbrach ihn.
„Habe auf ihn eingeprügelt und ihn alles geheißen“, sagte er schließlich, nachdem der Atem wieder gleichmäßig ging.
„Wie ein kleines Kind, das zornig ist. Geprügelt, geschrien, gedroht!“
Er lächelte. „Als ich nicht mehr Weinen konnte, habe ich mich auf Gottes Schoß eingerollt und mich an ihm festgehalten.“
Jetzt war ich es, der mit seinen Fingern spielte.
„Und dann habe ich“, sagte er, schon wieder hustend, „ihm leise gesagt, dass ich an ihn glaube. Und dass er Gott sein darf in meinem Leben.“
Knapp vier Monate später schaffte er es nicht mehr rechtzeitig, die Kurve am Todesabgrund zu kriegen. Jetzt ist er bei Gott. Und seinen Krebs ist er auch los.
Genau. Es gibt Tage, da beißen wir. Und brüllen. Schlagen. Weil es so heftig schmerzt, dass wir das Leben nicht mehr ertragen.
Dann ist das so.
Gott schickt uns dafür nicht in Einzelhaft.
Er als der gute Vater lässt uns toben, bis wir nicht mehr können.
Alle Eltern wissen, dass dies die einzig sinnvolle Methode ist, um verletzte, gekränkte oder kranke Kinder Frieden zu vermitteln.
Wird dann der Atem ruhiger, lässt die Kraft nach, wird das Schluchzen leiser … dann ist unsere Zeit gekommen: liebevolles Zureden, trösten, küssen. Das Kind spürt: Meine Mama, mein Papa … sie sind da und gehen nicht weg.
Gott lässt uns nicht allein.
Auch dann nicht, wenn wir auf ihn einprügeln.
Verlässt uns die Kraft, bringt uns die Erschöpfung zum Schweigen, dann … dann endlich hören wir auch ihn wieder. Sein Flüstern: „Ich bin bei dir, ich lass’ dich nicht los!“
Wie reagieren Kids, die sich in unseren Armen beruhigen?
Sie schlafen ein.
Hören wir von ihnen ein „Danke“?
Wohl kaum.
Sie schlafen ja auf unserem Schoß.