Blog

coming soon

Seinerzeit, damals im digitalen Steinzeitalter, musste der kleine Thommy M einmal im Monat Oma und Opa besuchen. Zwei herzallerliebste Menschen. ABER: Sie wohnten dreißig Kilometer entfernt in der Großstadt. Soll heißen: Dreißig Kilometer im Auto. Hinterm Fahrer. Rücksitz.
Gab’s Fenster zum Runterkurbeln? Natürlich nicht.
Nach allerhöchstens fünf Kilometern brüllte der kleine Thommy M von hinten: „Mir ist schlecht!!“
Dann kam die typische Erwachsenenlüge: „Wir sind gleich da!“
Was dann folgte, wusste jeder im Waggon:
mindestens zweimal anhalten, mindestens einmal abreiern, fahl, verschwitzt und verkrampft aufm Rücksitz kauernd, das Ende der Welt erwartend.
An einem bestimmten Punkt rief meine Mutter IMMER von vorne: „Wen sehen wir denn da?!?“
Ich hatte keine Kraft mehr zum Reden.
„Thomas, wen sehen wir denn da?„, hakte sie nach.
„Den Kirchturm„, röchelte ich.
„Siehst du“, lachte sie, „du hast es fast geschafft!“
Fast?
Genau sieben Kilometer.
Aber den Kirchturm sah man tatsächlich, dann, wenn man lange genug hinschaute; dann, wenn einem nicht sterbenselend zumute war.
Warum war ihr der Kirchturm so wichtig?
Weil sich das Haus meiner Großeltern an den Kirchturm lehnte.
Kirche und Ziel – ein schönes Bild.
Schon klar, seinerzeit hatte ich andere Gedanken.
Heute – lässige 50 Jahre später stehen wir mit dem superfrommen Mobil auf einem Campingplatz in Lörrach. In Sichtweite streckt sich ein Kirchturm in den Himmel. Alle viertel Stunde informiert uns die Glocke über die dahinfliegende Zeit. Mittags um zwölf läutet sie den Nachmittag ein. Ihr Glockenschlag erinnert extrem an den der alten Kirche von damals.
Meine Großeltern leben nicht mehr. Ich weiß noch nicht einmal, ob die Kirche noch steht.
Aber die Geschichte … das „wen sehen wir da“ meiner Mutter … beim ersten Geläut des Lörracher Glaubenshauses sah ich denn kleinen Thommy M wieder im blauen Opel Kadett sitzen. Schwitzen. Röcheln. Sich übergeben.
Und ich erinnerte mich daran, dass ich nach dem Zuruf meiner Mutter Hoffnung schöpfte: bald überstanden.
Es gibt so viele, die das Heute nur leidend ertragen. Die schwitzend und röcheln in einem Krankenbett liegen. Die im Spiegel ihren kaputten Körper sehen und wissen: „Das wird nichts mehr!“
Wir, denen das Leben noch die Zeit zum Genießen und Entdecken lässt, stehen oft sprachlos daneben.
Was sollen wir sagen … wir … einem kranken Freund … einer leidenden Freundin?
Es ist kein leichtes Thema. Leid erfahren, Leid tragen, Leid Mit-Tragen ist furchtbar schwer. Und irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem alle wissen, dass der Weg zurück in die frühere gesunde lebhafte Zeit versperrt ist.
Was sagen?
Der Autor eines Briefes in der Bibel* bringt es auf den Punkt: „Schau hin auf Jesus!“, schreibt er, „er ist es, der unserem Glauben vorangeht und ihn auch vollendet.“
Damals hatte ich keine Kraft, den Kopf zu heben, um den Kirchturm in der Ferne ins Visier zu nehmen. Ich glaubte meiner Mutter. Fertig.
Wer leidend auf Intensiv liegt, wer weiß, dass der Lebenszug den Endbahnhof erreicht, braucht Menschen, die ihm sagen: „Jesus wartet auf dich! Den, an den du geglaubt hast, steht schon am Bahnhof!“
Und Jesus? Dem ist es egal, wie du aussiehst. Spätestens nach der Umarmung gibt’s sowieso was Neues zum Anziehen. Dann, wenn das Leben beginnt!

Herzlichst, wo immer ihr gerade seid und wie immer es euch gerade ergeht,
Thomas Meyerhöfer

bleibt superfromm!