Das Leben stirbt nicht
Ich habe keine Bucket-List. Auf Deutsch: Löffelliste.
Für alle, die den Begriff nicht kennen: Es handelt sich hier um eine Liste von Dingen, die man im restlichen Leben gerne noch tun oder erreichen möchte.
Also mit einem Fallschirm aus einem Flugzeug springen. Den Mount Everest besuchen. Die Kilometer bis zum Apostelgrab in Santiago de Compostela pilgern. Einen Marathon finishen.
Und. So. Weiter.
Der Grundgedanke ist klar: Wir werden alt. Dann, wenn sich nichts mehr machen lässt, bleibt uns wenigstens noch die Erinnerung an grandiose Erlebnisse. Wir schwelgen in bunten Smartphone-Selfies und trauern unserer Jugend nach. Übertrieben? Ich glaube nicht. Ein Besuch im Altenheim, ein Gespräch mit Kranken rückt die Perspektive wieder zurecht. Genau so läuft das ab. Ohne Wenn und Aber. Es kommt die Zeit, in der du die Harley nicht mehr halten kannst.
Pläne und Vorhaben sind wichtig. Sie sind der Motor für unser Leben; geben Struktur und schaffen Erfolgserlebnisse. So ist das.
Mein Plan sieht vor, dass ich in Ewigkeit leben will. Neben vielen anderen Überlegungen steht dieser Punkt an der Spitze: Ich will in den Himmel kommen. Dort, wo das Leben nicht stirbt. Schon heute sage ich mir: Das Leben stirbt nicht.
Wer wie ich an Jesus glaubt, weiß, dass die Jahre auf der Erde in nichts mit dem vergleichbar sind, was uns im Himmel erwartet. Unser Leben ist ein Hauch, der kaum sichtbar, schon wieder verschwunden ist.
Natürlich können wir die Panamericana hinter uns bringen. Oder den höchsten Berg der Welt besteigen. Warum nicht?!? Viel mehr noch als sämtliche Vorhaben dieser Welt gilt jedoch die Frage, was danach passiert, wenn sich der „Hauch unseres Daseins“ aufgelöst hat.
Da ist die bekannte Stelle, in der sich Jesus mit Martha in der Nähe eines Friedhofs trifft. Die Frau ist aufgebracht und traurig, weil ihr Bruder vor vier Tagen gestorben ist.
Und wie tröstet Jesus? Er nimmt alle Unsicherheit und Fragen dieser Frau, bündelt sie zu einer einzigen Antwort und sagt: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch dann, wenn er gestorben ist.“
Oder in meinem sprech: Das Leben stirbt nicht.
Schön wäre es natürlich, wenn wir so einfach sang- und klanglos in die Ewigkeit hinüberrutschen würden. Schmerzfrei und erhobenen Hauptes unsere Struktur, Form und Farbe wechseln. Das jedoch gehört in den Bereich der Fantasie.
Vielmehr liegen wir in Krankenwagen und hören, wie das Martinshorn die Autos auseinanderspritzen lässt. Wenn wir überhaupt noch etwas hören.
Wir halten uns an Rollatoren fest und hoffen, dass wir die nächste Gehwegkante sturzfrei überstehen.
Wir beobachten die durchsichtige Flüssigkeit im Plastikbeutel. Tropfen für Tropfen flutscht das Cyclophosphamid in unsere Vene, kämpft sich durch unseren Körper. Falls wir noch hoffen können, dann wünschen wir uns sehnlichst, dass der Krebs dieser dritten Chemotherapie nicht standhalten kann.
Es gibt es den kurzen Moment des Breaks - dann, wenn sich flüchtiges Leben in ewiges Leben verwandelt.
Wem es vergönnt ist, kann vor dem Weiterleben seinen Lieben noch einmal in die Augen sehen.
Und während wir am Leben sind und nicht mehr wissen, wohin mit unserem Glück, beginnen auf der anderen Seite die traurigen Aufräumarbeiten.
Das Leben stirbt nicht. Jesus nimmt Martha zur Seite und fragt: „Glaubst du das?“
Auf die Antwort kommt’s an.
Es ist der alles entscheidende Punkt auf deiner Löffelliste. Der Marathon, die Kunstausstellung, das Buch, der freie Fall aus dem Flugzeug … im Licht des Lebens, das nie stirbt, sind das alles zweit- und drittrangige Vorhaben. Aktionen, die herausfordernd sind und manchmal richtig viel Mut kosten.
Was das Weiterleben betrifft, das Überstehen des Breaks (siehe weiter oben), ist das alles nutzlos.
Es kommt auf deine Antwort an. Eine Antwort, die in nichts an Tragweite, Perspektive und nie sterbendem Leben zu tun hat: „Glaubst du das?“