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Der Gott des Wetters

„Du musst dafür beten, dass wir schönes Wetter haben!“

Ich nicke und brumme ein „Hmmm“ in ihre Richtung.

 

Was meine Enkelin nicht weiß: Schwere Gewitter sind angesagt. Dazu heftiger Regen, örtlich mit Hagelschauer.

Passend zu diesem Schlechtwetterszenario spannt sich über uns der dunkle Himmel. Schwere Wolken hängen in ein paar Kilometern Höhe und sind bereit dafür, den Tag unter Wasser zu setzen.

Fürs Wetter beten? Nicht bei diesen Fakten.

Ich weiche also aus und labere über Allgemeinplätze: bitte Gott um Schutz und Bewahrung für diesen und jenen und dass und für und überhaupt.

Ich komme mir wie ein Heuchler vor. Nein, ich BIN einer!

Das Mädchen lässt mich mit ihrer Aufforderung zum Vertrauen (Achtung Wortspiel…) wie einen begossenen Pudel dastehen.

Ich sage „Amen!“

Sie nicht.

„Du hast das Wetter vergessen, Opa!“

Also bete, vielmehr murmle ich fürs Wetter: „kein Regen, trotzdem schön haben und noch bla bla bla“.

Eins ist klar: Mein Vertrauen in Gott, dass der entgegen aller Prognosen noch was regeln kann, hat den gleichen Vertrauensfaktor wie all mein anderes Geblubber wenige Sekunden zuvor.

Der einzige Vorteil: Ein Wischiwaschi-Distanz-0815-Gebet lässt sich nicht überprüfen. Kann passieren oder auch nicht. Spielt aber keine große Rolle.

 

Mann, der Tag fängt schon gut an!

 

Ich schätze, Minea hat das gespürt. Sie richtet sich auf und wiederholt den Satz (den mit dem Wetter und dem regenfreien Tag) mit ihren eigenen Worten. Und dann sagt sie „Amen!“ Das klingt dermaßen nach „so, jetzt weißt du Bescheid, Opa!“, dass mir Hören und Sehen vergeht.

 

Wir packen unser Zeug und stopfen alles in die Rucksäcke.

 

Ich löse auf: Die Wetterapp hat gelogen. Oder: sich vertan. So wie all die anderen hauptamtlichen professionellen wissenschaftlich abgeklopften Vorhersagen auch.

Die Fakten: kein Regen, nachmittags Sonne, die Regenjacken hätten wir uns sparen können.

 

Mein Vertrauen in Sachen „regenfrei“ auf einer Skala zwischen null und zehn?

What?!?

Welches Vertrauen?!?

Unterirdisch.

Konfrontiert mit den Fakten aus der Wetterredaktion zog mein Glaube den Schwanz ein und überließ den Fakten das Feld.

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Bevor jetzt jemand altklug und milde lächelnd seinen Kopf hin- und herwackelt, vielleicht noch ein spöttische Grinsen übers Gesicht blitzen lässt, bevor er dann endlich seine Meinung raushaut: „Glück gehabt!“, „Wetterapp vom Drittanbieter“, „dafür hat es zehn Kilometer weiter geblitzt und gedonnert!“ … langsam langsam – ist ja nix Neues: du sagst das selbe Zeug, was ich auch dachte.

 

Ich würde ja gerne behaupten, dass mich diese Geschichte viel übers Beten und Vertrauen gelehrt hat. Keine Frage, hat sie. Doch ich vermute, dass ich wieder kämpfen muss, dann, wenn die Fakten so dermaßen ihre Wahrheit in meinen Kopf hämmern, dass ich angesichts dieser erdrückenden Masse aufs Gebet verzichte.

 

Und die Moral von der Geschicht`?

Die müsst ihr für euch selbst finden. Was mich betrifft: Ich werde NOCH genauer zuhören, wenn meine Enkelin betet. Wie sie in ihrer Kindersprache Gott über ihr Leben und ihre Ängste informiert. Wie sie ihn bittet, ihr zu helfen. Und ich werde weiter über ihr kindliches Vertrauen staunen, über ihr uneingeschärnktes JA zu diesem Gott, dem alles möglich ist.

 

Ich gebe zu: Ein bisschen traurig bin ich auch.

Meine Enkelin wird in den nächsten Jahren überhäuft mit diversen Ansichten und Meinungen und Fakten. So ist das Leben. Und sie wird sich ihren Weg durch den Dschungel der Wahrheiten und Halbwahrheiten und Fake News suchen müssen.

 

Und wer weiß, vielleicht horcht sie auf, wenn sie mich beten hört, dann, wenn ich (richtig) alt und glatzig bin. Wenn ihre Gedanken gegen eine Realität kämpfen müssen, von der ihr alter Opa so gar keine Ahnung (mehr) hat.

Ich würde mir wünschen, dass ihr dann diese kleine Geschichte in die Hände fällt. Von damals, als sie ihren Opa eine fette Lektion über Glauben und Vertrauen lehrte.