Die unsichtbare Superfrau
Heute fahre ich mit Theo zu seinem Lieblingsbäcker. Er kann es kaum erwarten, drängelt an der Haustür und scheppert mit meinem Schlüsselbund.
Schon klar, für einen Dreijährigen ist selbst die Fahrt zum Supermarkt ein besonderes Highlight - vor allem, wenn er ganz allein mit seinem „coolen Opa Thommy“ durch Hamburgs Innenstadt cruisen darf.
Endlich ist es so weit: Ich verfrachte ihn in seinen Kindersitz und los geht die Reise.
Schon nach hundert Metern bin ich auf 120. Innerlich. Denn es blitzt auf Augenhöhe und der Himmel über mir färbt sich rot. „Men in Black?“, denke ich nur kurz, doch auf dem Gehweg steht nicht Will Smith mit seinem Blitz-Dings, sondern eine mobile Messstation vom Hamburger Ordnungsamt. Gerade noch rechtzeitig denke ich ans Kind im Sitz und verzichte auf einen gepflegten Wutausbruch und hämmernde Schläge gegen das Lenkrad.
Meine Güte, wir befanden uns in einer überaus wichtigen Diskussion: „Woher weiß die Frau aus dem Lautsprecher, wo wir fahren?“, wollte Theo von mir wissen. Und: „Beobachtet uns die Frau?“ Und drittens: Wo wohnt sie?“
Tja Leute, erklärt einem Dreijährigen die Funktionen von Google Maps. Außerdem: Wer schafft`s bei solchen Fragen, mit korrekten 30 durch die City zu schleichen? Ich nicht.
Theo kennt keine Pause. „Opa Thommy“ nervt er von hinter mir, „woher kennst du diese Frau? Woher weiß die, dass wir zum Bäcker fahren? Opa Thommy, wann hast du der das gesagt?!?“
Was soll ich ihm antworten? Dass mein Navi mit einem Bordcomputer ausgestattet ist, der ständig Signale in Lichtgeschwindigkeit von 24 Satelliten empfängt, die in 20.000 Kilometer Höhe kreisen? Dass Google Maps die Signale aufnimmt, sie berechnet und mir metergenaue Fahranweisungen gibt? Dass sein cooler Opa der Bestimmer über das Geschlecht der Stimme aus den Lautsprechern ist?
Er würde es nicht verstehen.
„Da ist der Bäcker!“, schreit’s von hinten. Theo zeigt auf einen Parkplatz, hinter dem ein graues Einkaufszentrum auf Besucher wartet. „Bekomme ich eine Laugenstange?“, ruft er und nestelt an seinem Sicherheitsgurt.
„Logisch!“ rufe ich eine Spur zu laut, denn glücklicherweise hat der Mann vom Rücksitz ein neues Interessengebiet für sich entdeckt. Laugenstange schlägt Navigationsgerät. Soll heißen: Das Thema „Unsichtbare Frau mit Superwissen“ ist erst mal vom Tisch.
Womit mein Enkel überhaupt keine Schwierigkeiten hat, ist, wenn ich ihm von Gott erzähle.
In seiner Welt fliegen Engel durch die Luft, er sieht Jesus und nickt verständnisvoll, wenn ich ihm davon berichte, wie der Schöpfer des Himmels und der Erde mit mir spricht. Bei solchen Gesprächen zuckt er mit seinen kleinen Schultern. „Erzähl mir mal was Neues“, soll das wohl heißen.
In ein paar Jahren wird er dieses Selbstverständnis verloren haben.
Vermutlich wird dann Theo von mir wissen wollen, wie das ist mit dem Heiligen Geist; warum Gott durch Träume redet; ob man Jesus mit einem Navigationsgerät vergleichen kann. Er wird mich fragen, ob Jesus einem ständig sagt, was man tun und was man lassen soll, ob er vor Geisterfahrern warnt und einen auf Schritt und Tritt beobachtet.
Das alles sind berechtigte Fragen, die genauso wenig während einer Autofahrt in einer 30er-Zone beantwortet werden können wie die Erklärung darüber, wo sich das Versteck der unsichtbaren Superfrau befindet.
Wenn wir uns das nächste Mal sehen, kommt der Bursche auf meinen Schoß und ich kritzle aufs Papier, wie dieses Navi funktioniert. Ob er’s kapiert, ist eine andere Frage. Aber eigentlich ist das gar nicht so wichtig, denn wir haben Zeit miteinander verbracht, herumgemalt und lustig wird es auch.
Wenn ich mir’s recht überlege, wäre das doch die ideale Vorgehensweise, jemand das Reden Gottes zu erklären: gemeinsame Zeit verbringen, malen und lachen.
Passt. Nur das mit dem „auf den Schoß sitzen“ ,… das müsste ich canceln. Dieser Platz ist schon besetzt ☺️