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Drama an der Glaswand

„ZZZZ, zzzz, bomm!“
„ZZZZ, zzzz, klong!“

Die Schmeißfliege nervt. Ich sitze im Wohnzimmer, will lesen, doch das Tier macht mich fertig!
„ZZZZ, zzzz, bomm!“
„ZZZZ, zzzz, klong!“

Wegignorieren gelingt mir nicht, also stehe ich auf und öffne die Tür zur Freiheit.
Der Schmeißfliege geht meine Hilfsaktion an ihren Flügeln vorbei. Das Tier dreht eine Kurve, holt Anlauf, knattert los, knallt gegen die Scheibe, rutsch einige Zentimeter in die Tiefe, rappelt sich auf, gewinnt an Höhe und wiederholt das sinnlose Unterfangen.
Ich bin kein Schmeißfliegenspezialist. Trotzdem wage ich die Behauptung, dass es diesem Flieger NICHT gelingt, die Dreifachverglasung zu pulverisieren.
„ZZZZ, zzzz, bomm!“
Nach jedem Angriff stürzt sie tiefer in Richtung Fußboden.

Liebevoll schubse ich das Tier in Richtung freier Welt. Vergeblich. Schmeißfliegen bevorzugen offensichtlich den Kampf mit unüberwindbaren Gegnern.
Schmeißfliegisch beherrsche ich nicht, sonst hätte ich eine Diskussionsrunde zum Thema „Freiheit – unerreicht und doch so nah“ gestartet.
Also schließe ich die Tür. Nicht vorzustellen, wenn ihre Kumpels auftauchten und mit ihr den kollektiven Selbstmord suchten.

Das Generve erledigt sich von selbst. Leider. Denn kurze Zeit später ist die fette Fliege tot. Gestorben auf dem Weg in die Freiheit. Was für eine Tragik.

Ich wage zu behaupten, dass wir Menschen um einiges klüger sind als die Schmeißfliegen-Spezies.
Blöd nur, dass wir uns in vielen Dingen ähneln. Mit dem Kopf durch die Glaswand wollen, beispielsweise. Da sind wir dermaßen überzeugt davon, den richtigen Weg zu kennen, und gehen dabei drauf. Auch hier passt die Moral von der Geschicht: Was für eine Tragik.

Und jetzt die Christen. Wir. Die Frommen. Die, die behaupten, dass Gott sie führt, Jesus der Hirte ist, wir mit diesem Gott über Mauern springen können und so weiter.
„ZZZZ, zzzz, bomm!“
„ZZZZ, zzzz, klong!“

Es ist der sinnlose Kampf unseres Besserwissens vs. Gottes Führung.
Gibt’s Unterschiede zum toten Schweißfliegchen? Eher nicht.
Die Psyche des fliegenden Tieres ist mir unbekannt. Keine Ahnung, was in ihrem Gehirn abläuft. Und doch – vielleicht ähneln wir uns in Sachen Diskussionsfreudigkeit: „Hey Gott, mach dass es funktioniert, ich will da raus – und zwar genau DIESEN Weg!“ 

Kommt dir das bekannt vor? Mir schon. Und wichtig: Das ist nicht tragisch. Die Bibel ist voll von Storys dieser Art. Wir sind also in guter Gesellschaft.
Blöd, wenn wir auf unserer Ansicht beharren, Gott sogar mit lebensverkürzenden Maßnahmen drohen, wenn er nicht die Glasscheibe implodieren lässt. Dumm, wenn wir nichts aus den biblischen Storys gelernt haben. Gott lässt sein Volk tatsächlich und definitiv Umwege gehen. Ab durchs Gebirge! Warum? Um sie zu schützen. Weil er Gefahren sieht, trotz Ziellinie vor Augen. Sein göttliches Navi ist millionenfach bewährter und sicherer als google Maps.
„ZZZZ, zzzz, bomm!“
Die unsichtbare Glasscheibe lässt grüßen.

Und … wer ist schuld? Gott. Wer sonst?

Natürlich folgt nun ein dickes fettes (Schmeißfliegen-)Aber:
So ist Gott nicht. Er zieht uns nicht über den Tisch, ablinken gehört nicht in sein Portfolio und den kollektiven Selbstmord verabscheut er.
Wie lautet die Arbeitsbeschreibung von Jesus? Richtig: „Guter Hirte sein!“
Ein guter Hirte MUSS Umwege gehen, denn auf dem Weg zum Ziel lauern Gefahren, von denen er weiß; Situationen, in denen seine Schafe geschlachtet und gefressen werden, untergehen oder ertrinken könnten.

Grundvoraussetzung für das Leben ist das Vertrauen in den, der da vorne die Richtung vorgibt. Der versprochen hat, sich auch in schwierigen (Lebens-)Situationen nicht vom Acker zu machen. Und wenn es ihn das eigene Leben kostet.

Wir sind klüger als Schmeißfliegen (behaupte ich jetzt ungeprüft).
Wir müssen nicht die letzten Kraftreserven zusammenkratzen; den allerletzten Anflug auf den unsichtbaren Feind starten. Denn: Wir gehen dabei drauf.

Was dann?

Ist doch klar – so wie immer in der Theorie: stoppen, nachdenken, Kraft sammeln, nachdenken, durchatmen, beten, Freunde und Familie fragen, Kraft sammeln, andere Positionen einnehmen, auf Gott hören, uns vom Stolz verabschieden, sich keine Gedanken machen was andere über uns denken und: weiterfliegen. Dem guten Hirten hinter. Wie immer wissen wir sofort, dass das stimmt. Theoretisch.
Und nun liegt’s an uns, die Aufzählung ins Leben umzusetzen.

Heute Morgen(!) saß die nächste Fliege an der Scheibe. Ohne „klong“ und „bumm“ und so. Die starrte auch nach draußen in die Freiheit. Ich öffnete das Fenster.

Das Tier ist nicht mehr da. Es tanzt es in der Morgensonne.

Herzliche Einladung zum Tanz in der Sonne!