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"Drecks Bayern!"

Der Sprit ist gerade günstig.
Der Tank leer.
Passt.

Der Junge an der Kasse starrt aus dem Fenster.
„Der gelbe Bus, ist das deiner?“, fragt er und nimmt meine EC-Karte entgegen.
Ich nicke.
„Dortmund-Fan, oder?“
Er grinst mich an.
„Rot weiß“, antworte ich und warte darauf, bis ich meinen PIN-Code eingeben kann.
„Rot Weiß Essen?“ fragt er nach.
„Viel weiter südlich,“ kriegt er zu hören, während ich die auf die Tasten tippe.
„WAS? Die drecks Bayern? Uuh uuh uuh!“, brüllt er durch die Tanke und zeigt mit seinem Daumen nach unten.
„Nationales Triple. Nicht schlecht, oder?“ antworte ich ihm, nachdem er sich wieder etwas gefangen hat.
Der Junge an der Kasse schüttelt fassungslos den Kopf und gibt mir meine Karte zurück.
„Aber spannend war’s. Oder? Wir haben euch das Leben richtig schwer gemacht!“
Jetzt ist ihm sein lautstarkes Verurteilen offensichtlich peinlich. Muss aber nicht, denn mir ist das egal. Sieger können auch mit Anfeindungen leben. Passt schon. Beim Abschied geben wir uns die Faust.

Dieser Vorgang ist komplett harmlos. Eine etwas lautere Meinungsäußerung, mehr nicht. Ein normales Verhalten unter Fußballfans. Weder verletztend gemeint noch provozierend gebrüllt.
Für jemand, der sich nicht in dieser Szene auskennt, hätte sich das nach handfesten Beleidigungen angehört. So einer hätte über die unmögliche Jugend hergezogen. Sogar die Nase gerümpft. Die Welt nicht mehr verstanden.

Das begegnet mir leider viel zu oft: Da wird verurteilt, weil die eigene, festzementierten Weltsicht der Maßstab aller Dinge ist. Solche Leute machen sich keine Mühe, über den eigenen Tellerrand zu blicken.

Für mich ist’s immer wieder und immer wieder neu faszinierend, wie Jesus die damaligen Konventionen schlichtweg außer Kraft setzte. Redeverbot mit den bestechlichen Zöllnern? Darauf gepfiffen. Frauenmissachtendes Verhalten praktizieren? Never. Fundamtentalist werden, um in der Gesellschaft gut dazustehen? Doch nicht Jesus! Kinder als billige Wegwerfware behandeln? Jesus umarmt und küsst sie.
Was für ein Mann!

Natürlich: Die Kids sind dreckig, die Frauen eingeschüchtert, Zöllner reich, die Vergessenen verlottert.
Und?
Oder: Na und?
Jesus beharrte nicht darauf, dass jeder erstmal ein „richtiger Jude“ wird … vor einem Meeting, einem Gespräch, einer Bitte.

Der Sohn Gottes blieb nicht in seiner Komfortzone. Hätte er haben können. Wenn nicht er, wer dann?!?
Das gilt bis heute.
Er bleibt nicht im Himmel, sondern sucht das Gespräch mit uns. Er verurteilt uns nicht wegen unserer Vergangenheit, sondern hebt sein Gesicht und lädt zum Erzählen ein. Ohne wenn und aber.

Ich wiederhole mich sehr gerne: Was für ein Mann! Besser: Was für ein Gott!