Blog

Geliebt in Zeit --und-- Ewigkeit

Vorgestern hielt ich mein Enkelkind im Arm. Kaum vier Kilogramm schwer, noch keine 24 Stunden alt.
Die Geburt war schwierig und grenzwertig, doch die Schmerzen werden durch ihn erträglicher. In den nächsten Monaten verblassen sie ganz und gehören der Erinnerung an.
Jetzt ist der Kleine da. In unserer Welt. Schutzbedürftig, noch ein bisschen verwirrt und am Anfang seiner Reise.

Was aus ihm werden wird, kann ich nicht sagen. Worauf er sich verlassen kann, ist meine Liebe für ihn. Sie wird ihn durch sein Leben begleiten. Ob ihn das im Augenblick interessiert… eher nicht.

Über seine Zukunft weiß ich nichts. Doch schon jetzt ist sicher, dass er in seinem Leben Höhen erklimmen und Tiefen durchschreiten wird. Das Schutz-bedürftige wird er abschütteln, die Welt entdecken, Fehler machen, stolpern, aufstehen, feiern.
Um ihn herum leben Menschen, die ihn ermutigen werden, neue Länder zu entdecken. Fällt er, richten sie ihn auf. Zweifel werden angesprochen. Schmutz abgewischt. Tränen getrocknet.
Warum ich das weiß?
Weil ich seine Eltern kenne. Ihre Liebe zu ihm. Die riesige Vorfreude der vegangenen neun Monate.
Für ihn kann das Leben beginnen.

Waren es hunderte oder tausende von Gesprächen, die ich zum Thema „Gottes Liebe“ geführt habe? Ich weiß es wirklich nicht. Wahrscheinlich geht’s in die Tausende. Immerhin begleitet mich diese Beichte schon mehrere Jahrzehnte: „Gott kann mich nicht mehr lieben!“, heißt es da. Und dann wird behauptet, dass es keine Vergebung mehr gibt; dass Gott „unheimlich enttäuscht“ sein muss und er deshalb sein „Angesicht abwendet.“
Die dann aufgezählten Gründe entsprechen der Bandbreite menschlichen Versagens.

Selbstverständlich kann ich dieses Denken nachvollziehen – ganz davon abgesehen: Es ist mir nicht fremd. Es gab Zeiten, in denen ich auch so dachte.
Doch es ist nicht richtig.
Jesus bezeichnet Gott als einen „liebenden Vater“. Einer, der von vornherein weiß, dass der Sohn oder die Tochter Phasen im Leben kennenlernen wird, die fürs Kind alles andere als hilfreich sind. Vorsichtig formuliert.
Für Gott ist es also absolut nichts Neues, wenn wir fallen, stürzen, gegen die Wand laufen.
Warum?
Weil es zum Lernen und zum Leben dazugehört. Weil er schon vom ersten Tag an um unsere Entdeckungsreisen weiß. Kommen wir reumütig und beschämt zurück, glaubt er uns.

Wieso ich das weiß?

Erstens: Gott ist ein besserer Vater als ich – und ich verweigere meinen Kindern niemals die Umarmung.
Zweitens: Er kennt die Gründe, warum wir mitunter heftige Phasen abarbeiten, warum wir zweifeln, uns manchmal eine andere Familie wünschen, aus dem Haus wollen, ihn verleugnen.
Drittens: Gott ist Liebe. In seinem Haus gibt’s keine Folterkammer, in denen böse Töchter und Söhne unter Qualen ihre Sünden büßen müssen.

Es ist Jesus selbst, der uns darauf hinweist, dass eben dieser Gott uns sogar hinterherläuft; uns bittet, wieder umzukehren.
Ein Kennzeichen Gottes ist die permanent ausgestreckte Hand, die er uns entgegenstreckt. Oder: die ausgebreiteten Arme, die signalisieren: „komm zurück, steh dir nicht selbst im Weg, ich warte auf dich!“.

Selbstvorwürfe, falsche Schlüsse daraus ziehen, sich von Gott abwenden in der Meinung, „dass der mit jemand wie mir nichts zu tun haben will“, sind falsch.
Er hat uns getragen, als wir noch ganz klein waren. Liebkost, gestützt, ins Leben entlassen. Ihm wird’s im Traum nicht einfallen, seinem geliebten Kind die Vergebung und Unarmung zu verweigern.