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haben wir's nicht schön?!?

Seine Stimme überschlägt sich. Er kreischt und lacht. Kurz vor dem Aufprall brüllt er: „Bremsfallschirm öffnen!!“
Ich drücke meine Füße in den Schnee, breite die Arme aus, zische, spucke und klammere mich an Enkel Elias. Die Wucht der Fallschirme reißt uns zurück – gerade noch rechtzeitig. Denn eine halbe Armlänge von uns entfernt hängen schneebedeckte Äste vom Baum – Monstertannen mit tödlichen Stacheln!
Wir haben’s geschafft und leben noch! Der Bremsfallschirm hat uns gerettet!

Leute, mehr Spannung geht nicht. Und das in meinem Alter! Dagegen war der Sprung von Baumgärtner aus der Stratosphäre eine Aktion für Schisser. „Noch mal!“ schreit Elias und rennt den Berg hoch. „Opa, das ist so toll! Haben wir’s nicht schön?!?“
Ich antworte ihm nicht gleich.
„Haben wir’s nicht schön, Opa?“
Enkel Elias will meine Antwort hören.
„Wir haben’s superschön!!“, lache ich und fasse seine Hand.
Hmm. Haben wir’s schön?

Aus der Sicht eines Vierjährigen, der sich mit seinem Opa aus den Wolken fallen lässt, gegen verzauberte Tannenspitzen ankämpfen muss und dessen wichtigste Aufgabe es ist, rechtzeitig das Kommando zum Öffnen des Bremsfallschirms zu geben … auf jeden Fall! Das Leben IST schön!
Leute, die ein halbes Jahrhundert oder mehr auf dem Buckel haben, flutscht die Antwort nicht so zügig in den Schnee. Da melden sich gleich fünf oder noch mehr Gegenargumente: Ausgangssperre, Arbeitslosigkeit, Corona, FFP2, Krankheit, Wirtschaft.

Also: „Haben wir’s schön?“
Die ehrliche Antwort müsste heißen:
„Wir hatten’s schon schöner.“

Soll ich dem Kleinen die Antwort vorenthalten? Ihn in den Alltag der Erwachsenen entführen?
Sein zartes Herz würde gefrieren, zerbrechen und mir mit einem leisen Klirren vor die Füße fallen.


Natürlich … Christenmenschen haben die Antwort parat:
Wer glaubt, wer im Heute lebt, wer Jesus hat, wer sich in Gott geborgen weiß, wer den Himmel sicher hat …“ – Und. So. Weiter.
Alles richtig.
Nur schaffen wir es so oft nicht, in den Stürmen, durch die wir stampfen, diese Wahrheiten abzurufen.
Natürlich ist Jesus mit uns im Sturm.
Natürlich weiß er um unsere Melancholie; den Streit in der Ehe; die Sehnsucht nach Besserung; den Wunsch nach einem Partner.
Er weiß alles.
Und wir wissen, dass er alles weiß.
Genau das bringt viele auf die Palme. Er weiß, wir wissen, er kennt, wir kennen … und es geschieht: Nichts.
Man flüchtet sich in Vorhaltungen. Legt sich giftige Argumente zurecht. Distanziert sich von früheren Aussagen. Von wegen „Gott ist gut!“ – „Nix macht er!“
„Haben wir’s nicht schön?“

„Pfft, kleiner Mann. Komm du mal in mein Alter, dann wirst du schon sehen, wie das Leben so spielt!“

Ich sage nichts Neues:
Wer so reagiert und argumentiert, sieht niemals das Schöne. Auch dann nicht, wenn sich Besserung im Leben einstellt. Anstatt sich zu freuen, heißt es verächtlich: „Na das wurde ja Zeit; endlich hat der! (aus „Gott wird „der“) reagiert.“
Was für ein trauriges Leben!
Dabei empfiehlt Jesus tatsächlich, sich nur auf den heutigen Tag zu konzentrieren.
„Heute“ – das sind 24 Stunden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„Heute“ – das ist eine herrliche Schlittenfahrt im Pulverschnee. Eine motivierende Begegnung. Ein blöder Brief. Eine Message mit einem Umarmen – Icon. Ein zerbrochener Teller. Dampfendes Essen auf dem Tisch. Ein Smiley von der Tochter. Ein nerviger Kollege.

Und tatsächlich will Jesus von uns wissen:
„Wartest du nur auf die Erfüllung deiner Wünsche und blendest dabei das Heute aus?“
Wenn wir Jesus ernst nehmen, starten wir die Tagesschau.
Dann können wir stänkern, weil der Kollege seine Arbeit nicht pünktlich fertig kriegt und wir für ihn den Handlanger spielen müssen.
Wir können dem kleinen Elias antworten: „YESS! Wir haben’s superschön!“
Und wir liegen wieder in den Armen unseres Partners, weil wir uns versöhnten.
Das alles und noch viel mehr passiert in 24 Stunden.
Ist es realistisch, so zu leben? Die Tagesschau zu starten? Jede Situation aufzunehmen und diese auszukosten?
Genau dazu fordert uns Jesus auf.

Und: Elias schafft das locker.
BTW – eine Stunde später war er heftigst angenervt. Wir mussten nach Hause. Mittagessen.
Und?
Hat er sein „haben wir’s nicht schön?“ – Statement widerrufen?
Natürlich nicht.

„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder …!“ fordert uns Jesus auf.

Meine Antwort „YESS!, wir haben’s superschön!“ galt nicht für Corona, Ausgangssperre, Streit oder Geldmangel. Wäre ja auch dumm.
Sie hatte an einem Sonntagmittag Bestand. Als der Schnee in fetten Flocken vom Himmel fiel und ich mit meinem Enkel die Monstertannen besiegte. Als ich im Heute lebte und mich an Kind, Schnee und Himmel erfreute.

Heute, drei Tage später, köcheln einige Projekte in der Pipeline, die mir zusetzen.
Erinnere ich mich an Sonntag, muss ich lächeln. Und ich höre Elias, wie er schreit: „Haben wir’s nicht schön, Opa?!?“

Haben wir, Elias. Haben wir!

 

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