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Hundert Küsse

Es klingelt an der Tür. Beste Briefträgerin on earth lacht und überreicht mir die Post. „Wünsch’ dir einen schönen Tag!“, ruft sie noch. Der Motor vom gelben VW-Bus verschluckt mein „ich dir auch!“

Ich sortiere um zu entsorgen: Werbung, Werbung, Werbung, Postkarte. Eine Postkarte? Von meiner Enkelin! Um ehrlich zu sein, – es ist ihre erste Postkarte überhaupt. Sie ist Erstklässlerin und wird seit dem Lockdown daheim unterrichtet. Ich halte mich an der Karte fest und lese und wiederhole und platze fast vor Glück. Der Text endet mit: Hundert Küsse! Daneben strahlt ein selbstgemaltes rotes Herz. Ich könnte heulen.

 

Was mache ich mit dieser Karte? Zwei Möglichkeiten:

Erstens: Ich werfe die Postkarte in die grüne Tonne.

Zweitens: Ich platze vor Dankbarkeit, rase durch die Wohnung, lese die Karte zum zweihundertsten Mal und pinne sie schließlich an den Kühlschrank.

 

Auflösung:

Die Liebeserklärung hängt am Kühlschrank. Und wenn auch tausend Fremde täglich durch unsere Küche pilgerten … die Karte bliebe hängen! Mir doch wurscht, was andere denken. Hundert Küsse! Meine Güte, da spielt es doch keine Rolle, wenn ein paar Gefühlskalte ihre Nasen in Richtung Himmel rümpfen!

 

Apropos Himmel: In der Bibel wird Gott als liebender Vater beschrieben. Immer und immer wieder. Wie würde Gott also reagieren, wenn er von mir eine Postkarte bekäme, auf der zu lesen ist, dass ich ihn lieb’ habe? Unterschrieben mit „Hundert Küsse, dein Thommy!“.

 

Würde Gott die Karte seinen Engeln zeigen?

Die grüne Tonne bemühen?

Oder an seinen Kühlschrank pinnen?

 

Mein Lieblingsbibelvers befindet sich im Neuen Testament: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“*

 

Da gibt es kein Vertun – Gott liebt uns. So heftig, dass er „ja“ zum Tod seines geliebten Sohnes sagen musste.

 

Nicht jedem fällt es leicht, Gott seine Gefühle mitzuteilen. Immerhin ist er ja Gott und Schöpfer und … na ja … der Mächtige.

Vielleicht hilft dir eine kleine Postkarte. Ein paar Zeilen nur – ein Dankeschön und Grüße an den himmlischen Vater. Kein Porto und kein Briefkasten sind dafür notwendig.

 

Ach ja … – Kühlschrank! Auf jeden Fall, da bin ich mir sicher: Gott würde die Karten an den Kühlschrank pinnen. Dabei jubeln. Und der ein oder andere Engel lachte übers ganze Gesicht.

 

*Neues Testament, Johannesevangelium, Kapitel 3, Vers 16