Ich habe Ronaldo gesehen!
Genau. Christiano. CR7. Den Fußballstreichler. Keine zehn Meter von mir entfernt. Er trainierte auf einem Bolzplatz, der ebenso als Acker hätte herhalten können. Links und rechts der unsichtbaren Seitenlinie vergammelten heruntergekommene Wohnwagen. Ein Ort, an dem man den Superstar niemals vermuten würde. Und doch ... CR7 gab sich die Ehre. Irgendwie.
In echt rannte dort ein kleiner Junge übers Ackerfeld. Allein und ohne Gegner.
Er ließ sich fallen, sprang auf und gestikulierte wild. Vermutlich gab ihm der ebenfalls unsichtbare Schiedsrichter den Freistoß, denn der Kleine legte den Lederball aufs Gras, ging vier Schritte rückwärts und stemmte seine Ärmchen in die Seiten. Breitbeinig wartete er auf den stummen Pfiff vom Referee. Plötzlich rannte er los und schob den Ball ein paar Meter in weiter in Richtung des Tores. In seiner Fantasie zappelte das runde Ding im Dreieck. Sein Jubel, der Kniefall und die von unten hochgezogene Faust - alles ronaldomäßig! Ich bin mir sicher, dass in diesem Moment das bis auf den letzten Platz ausverkaufte Estadio Santiago Barnabeu seinen Namen brüllte. Ronaldo-Extase auf einem heruntergekommenen Bolzplatz. Und ich durfte diesen Moment erleben.
Jetzt gibt's einen derben Bruch im Thema:
Erkennen Menschen, die mit uns zu tun haben, den Sohn Gottes? Sei's auf einem heruntergekommenen Bolzplatz, im proppevollen Einkaufszentrum, an der Tankstelle, im Gespräch mit AfD-Wählern oder diskutierend mit der ich-klebe-mich-jetzt-auf-der Straße-fest-Generation?
Paulus formuliert in der Bibel die steile Aussage, dass wir - die Christen also - tatsächlich Jesus so repräsentieren sollen, dass die Menschen um uns herum den Sohn Gottes erkennen.
Und auch Jesus lässt keine Zweifel aufkommen: Unsere guten Taten sollen die Leute auf den himmlischen Vater hinweisen.
Bei solchen Statements brennen beim ein oder anderen sämtliche Trigger-Warnungen durch. Andere verweigern hysterisch das Weiterlesen.
Warum? Weil es Zeiten gab, in denen diese Aufforderung wie ein Stalaktit über dem eigenen Leben schwebte. Dass es sich dabei um keinen Jesus-Sprech, sondern um brutale Manipulation handelte, haben sie oft viel zu spät erkannt.
Nein, Christen sind keine Maneki Neko - diese pummelige Gastfreundschaftskatze, die niemals auch nur ansatzweise Muskelkater (hä hä) in ihrer rechten Pfote bekommt. Vom Winken. Und Grinsen.
"Sein wie Jesus", "ihm ähnlicher werden", "auf den himmlischen Vater hinweisen" ... das alles hat nichts mit Hirn-ausgeschaltetem, verblödetem Verhalten zu tun: Fünf bleibt IMMER eine ungerade Zahl. Gewalt in der Ehe ist ein Verbrechen, Lügen kein Kavaliersdelikt und sein Leben für andere aufgeben hat auch nichts mit "sein wie Jesus" zu tun.
Never.
Um wie Jesus zu sein, braucht's niemand, der mir erklärt, wie das funktioniert. Sondern: selbst lesen. In der Bibel.
Dort begegnet mir keine Grinsekatze.
Ob Jesus Muskelkater hatte, weiß ich nicht. Sicher ist, dass er nicht zu allem "Ja & Amen" sagte.
Jesus war kein Softie - auch wenn er oft von Liebe sprach, den Armen half und sich verprügeln ließ. Genaugenommen nahm er's mit den Mächten der Finsternis auf. Die mussten kuschen, sobald er den Mund öffnete.
Für den Maneki-Niko-Style bin ich der Falsche. Den japanischen Grinse-Katzen-Modus verabscheue ich.
Aber ich wünsche mir sehr, dass andere Jesus erkennen, wenn sie mich beobachten. Und da bleibe ich ein Lernender. Wie der Kleine auf dem Bolzplatz. Wer weiß, vielleicht haut der in ein paar Jahren tatsächlich die Kugel ins Dreieck ... und das Stadion brüllt seinen Namen. Seinen!