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ICH WILL DEINE HÄNDE SEHEN!

Die Beifahrertür wird aufgerissen.
ICH WILL IHRE HÄNDE SEHEN!!

Auch die Fahrertüre steht sperrangelweit offen.
HÄNDE AUFS LENKRAD!!

Wir starren auf schwarze Läufe von Maschinenpistolen.
Die beiden Polizisten sind vermummt.

Unsere Mitfahrer auf der Rücksitzbank schreien panisch. Einer wird ins Freie gezerrt.
BEINE BREIT!!, brüllt’s von draußen.
Mehr als zehn Maschinenpistolen verstehen keinen Spaß. Genauso wenig wie die Vermummten.

Wir haben die Sache verbockt. Sowasvon.
Aber der Reihe nach.

Für eine Reportage muss ich an die östliche Landesgrenze. Mein Gastgeber besteht darauf, dass er mich fährt. Er hätte dort auch noch etwas zu erledigen und überhaupt sind lange Autofahrten kein Problem und weil und wenn und sowieso.

Unterwegs machen wir einen Schlenker. Runter von der Autobahn, willkommen kurvige Landstraße. Er will seinen Neffen mit auf die Reise nehmen. Um ihn zu überraschen, überlässt er dem Jüngling den Fahrersitz. Das Lenkrad. Das Gaspedal und auch die Bremse.

Sein Neffe ist stolzer Besitzer eines druckfrischen Führerscheins. Nach den ersten Kilometern wird der Bursche lockerer und erzählt beinahe andächtig, dass er „…noch nie in seinem Leben so einen flotten Wagen (aka Opel Astra) gelenkt hat.“

Kurz vor dem Ziel, dank des Umwegs zum Neffen ists draußen bereits dunkel, werden wir zum Anhalten aufgefordert. Eine Polizeikontrolle. Der Beamte am Straßenrand wedelt mit der rotblinkenden Kelle. Der Neffe – weil noch nie angehalten und kontrolliert – ist tierisch aufgeregt. Er atmet laut, verwechselt Gaspedal mit Bremse und fährt beinahe den Polizisten über den Haufen.
Mit heulendem Motor rasen wir in den Kontrollbereich. Polizisten rennen und schreien. Weiter vorne giftet blaues Licht durch die Nacht. Ohne Vorwarnung wird der Opel durchgeschüttelt; er hüpft noch ein paar Meter Richtung Leitplanke und schafft vor dem Crash den Stillstand.

Was dann folgt … siehe Textanfang.

Mittlerweile steht die komplette Opelbesatzung neben dem Polizistenauto. Wir werden durchsucht und gecheckt. Bei den Kontrolleuren macht sich Entspannung breit. Manche grinsen und zeigen auf den Opel. Der ehemals „flotte Wagen“ liegt auf den Felgen. Die Eisenspitzen vom Nagelgurt haben ganze Arbeit geleistet.
Nichts geht mehr.

Und mein Interview?

Tief in mir brodelt’s. Wut, Ärger und Zorn ergeben eine brisant-gefährliche Mischung.
Wieso musste dieser Anfänger hinters Steuer? Ein Typ, der das Gaspedal nicht von einer Bremse unterscheiden kann?!?
Dieser Loser!
Ich drehe mich um und will dem Jungen so richtig die Meinung geigen. Da fällt mein Blick auf den Onkel: Der hat seinen Neffen umarmt und tröstet ihn.
Die explosive Mischung in mir fällt in sich zusammen.

Natürlich: Der Junge hats verbockt. Sowasvon. Aber dem Fahranfänger jetzt den Einlauf verpassen?!?
Nicht gut. Nicht ratsam.
Ich hole tief Luft, mache einen Schritt auf ihn zu und fahre ihm über den Kopf.
„Wir kriegen das wieder hin“, nuschle ich in seine Richtung.

Fest steht: Der Kerl wird diesen Tag nie mehr vergessen. Genau genommen hat er zwei Möglichkeiten: Entweder er schmunzelt irgendwann über seine Dummheit, oder er setzt sich nie mehr hinters Steuer.

Der Punkt ist: Jeder von uns hat dunkle Vergangenheitsflecken auf seiner Weste. Und sich deshalb vielleicht zu einem Schwur hinreisen lassen: „NIE NIE MEHR werde ich fahren / spielen / lieben / jemand Hilfe anbieten!“

Petrus (Freund von Jesus) gehört auch zu diesen NIE NIE MEHR – Sagern.
Er hat seinen Freund im Stich gelassen.
Hat so getan, als ob er ihn nicht kennen würde.
Dazu noch geflucht und gelogen.
Und später geheult.

Diese Tränen sind brutal. Die fließen nämlich dann, wenn alles zu spät ist. Wenn sich die Erkenntnis zementiert, dass eine Chance auf Wiedergutmachung bei genau null Prozent liegt.
Ähnlich bei Judas (auch so ein Freund). Der hat Jesus ans Messer geliefert; hat dafür fette Kohle abgegriffen. Doch als Judas die Ausmaße begreift, will er das Geld zurückbringen. Doch Jesus wird davon nicht mehr lebendig.
Judas sieht nur noch einen Ausweg und stürzt sich in den Tod.

Die Bibel samt Geschichte der Gläubigen ist eine Ansammlung der Verlierer. Da sind Menschen, die am Tod anderer Schuld sind.
Du triffst auf Personen, die Ehen zerstörten.
Die durch Alkohol ihre Familie sprengten.
Aufgrund Diebstahl ihren Job verloren. Wegen eines One-Night-Stands ihre Zukunft aufs Spiel setzten.
Ein Kind aushalten müssen, das nicht zu ihrer Familie gehört.

Leute … dieser Film aus unserer Vergangenheit ist schonungslos. Da wird nichts verschwiegen. Manche Szenen kommen in Zeitlupe daher, damit wir kein Detail vergessen.

Wir können diesen Rückblick nur ertragen, weil Jesus für uns ist.

Petrus war – von außen betrachtet – ein grandioser Jesus-Mitarbeiter. Dauernd hat er anderen von der göttlichen Liebe erzählt; vom neuen Leben geschwärmt; Wunder heraufbeschworen.

Doch dann, als er selbst zum Täter wurde, stampfte die Scham sein bisschen Glauben in Grund und Boden.

„Liebst du mich?“, fragte er Petrus beim Wiedersehen nach dem Verrat.
Und der Überführte wusste nicht wohin mit seiner Scham. „Du weißt doch …“ stotterte der.

Nachdem zwischen den beiden alles geklärt war, erhielt er den Einsatzbefehl von Jesus. Anders formuliert:
ICH WILL DEINE HÄNDE SEHEN!

Und wir? Heute?
Da gibts keinen Unterschied:

„Liebst du mich?“
Mehr will Jesus gar nicht wissen.
Und dann: Hände hoch.

Foto: RegionalStock/shutterstock