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Lila Wolken

Zwei Skater überholen mich. Sie rasen den schmalen Radweg hinab in Richtung City. Einer von ihnen trägt ein weißes riesengroßes Shirt; es knattert im Fahrtwind. Er umklammert mit der linken Hand sein Smartphone, mit der rechten den Bluetooth-Lautsprecher. Die Musik ist laut und gut. Ein deutscher Rapper brüllt irgendwas von lila Wolken, die sich in die Nacht verziehen. Ich denke an früher. Seinerzeit drückte uns der fette Ghettoblaster aufs linke Schlüsselbein. Aus den riesigen Boxen dröhnte Poesie der Sugarhill Gang – den Pionieren der Rapperszene.

Der Skater mit dem Riesenshirt beugt sich hektisch nach vorne; er strauchelt, stolpert, seine Füße zieht’s in Richtung Himmel und schon schmirgelt er über den Asphalt. Dem Rapper aus der Box ist das egal; der vergoldet Pappbecher, will abheben und sich auf lila Wolken fallen lassen. Die sind sicher weicher als der raue Bodenbelag der Wirklichkeit.

Ich haste zu der Gestalt, die sich auf dem Asphalt krümmt. Die typischen Notfallfragen fliegen hektisch aus meinem Mund. Der Junge sagt – logisch – nichts. Muss er auch nicht, denn sein schmerzverzerrtes Gesicht ist Antwort genug. Also schweige ich. Sein Kumpel ist jetzt auch bei ihm. Er hat zuerst den Lautsprecher gesichert und dann den Pause-Button gedrückt.
„Alles gut, nix passiert“, hechelt der Verletzte. Sein Gesicht straft ihn Lügen. Ihm ist mein Interesse unangenehm, schließlich ist er ein Kerl, hört coole Musik und ich bin in seinen Augen ein fremder, alter Mann.
„Alles klar, mach’s gut!“, sage ich schnell, nicke seinem Kumpel zu und verlasse den Unfallort.

Ist doch klar … für den Jungen ist das eine ziemlich peinliche Situation und sowas möchte man mit keinem teilen – schon gar nicht mit einem Fremden, der womöglich noch ein paar besserwisserische Statements auf Lager hat.
Schmerz teilt man – wenn überhaupt – mit seinem Freund und/oder Partner.

Wer sucht, der findet – das betrifft auch Besserwisser-Sprüche:
„Wieso trägst du keinen Helm, keine Knie- & Ellbogenschoner?“
„Die Musik ist viel zu laut, da kann man sich doch gar nicht konzentrieren!“
„Das hast du davon mit deinem angeberhaften Getue, außerdem ist dein T-Shirt viel zu groß, deine Haare zu lang und wieso bist du nicht daheim und erledigst deine Hausaufgaben?!?“

Grausam, oder?
Wer auf dem Boden liegt und dabei in die Finger solcher Phrasendrescher gerät, steht nie mehr auf.

Und jetzt zu Jesus: Der sieht – tagaus tagein – Menschen, die’s auf ihrer Lebensreise verspult; denen’s die Füße wegzieht und die’s dann übelst zerbröselt.
Was für ein geniales Glück, dass Jesus nicht zu denen gehört, die noch am Unfallort die Moralkeule aus dem Sack lassen: „Schon wieder du?“
„aus dir wird nie etwas!“
„wer nicht hören will, muss fühlen!“
„dumm geboren dumm geblieben dumm gestorben!“

Mag sein, dass sich solche Seelenbrecher in unserem Alltag eingenistet haben.
Jesus gehört definitiv nicht dazu.

Gleichgültig, warum wir aus der (Lebens-)Kurve geflogen sind:
Jesus ist der Ruhepol im Chaos; er ist der Neuanfang-Ermöglicher. Der Sohn Gottes verbindet, versorgt und bleibt.
Aus seinem Mund hören wir: „Ich vergebe dir deine Schuld. Mach’ dich wieder auf die Reise … aber sündige nicht mehr.“ *

Hmmm… hätte er sich das mit dem „nicht mehr sündigen“ nicht verkneifen können?

Nein, natürlich nicht. Schließlich gibt es tatsächlich Gründe für unseren Sturz – wir kennen sie doch ganz genau. Und nach jedem neuen Sturz, jedem nächsten Rückschlag wird es schwieriger, sich aus dem Dreck zu erheben. Dann kommt die Zeit, wo Willen und Kraft zum Aufstehen fehlen und wir uns der Zerstörung hingeben. Zeiten, in denen lila Wolken Trauer tragen.

„Sündige nicht mehr“ – Jesus wackelt bei dieser Aufforderung nicht mit dem Zeigefinger. Es ist die Einladung, sich von Verhaltensweisen zu verabschieden, die uns das (ewige) Leben kosten können.

 

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