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links überholen

Wer am Neujahrsmorgen gegen vier Uhr in der Früh einen Newsletter in die Postfächer verschickt, hatte mit der Themenfindung keine Probleme: Wünsche, Vorhaben, Ziele, Neuanfänge. 2020 lässt grüßen.

 

In meiner (jüngeren) Vergangenheit gab’s Zeiten, da konnte ich mit dieser Sorte von Wünschen nichts anfangen. Warum? Weil’s mir bescheiden ging, vorsichtig formuliert. Eingekerkert im schwarzen Seelenloch, keine Aussicht auf Verbesserung, die Zukunft vor Jahren gestorben. Was macht man dann mit diesen „guten Wünschen“, die einem mündlich oder schriftlich überreicht werden? Richtig: entsorgen. Mit Zorn im Gepäck, Wut im Bauch und Tränen in den Augen. Was soll an einem neuen Jahr gut werden, wenn schon lange nichts mehr geht? Wieso Ziele formulieren, wenn selbst das Aufstehen zur Qual wird? Große Vorhaben anpacken, wenn sogar das Sprechen schwerfällt?

 

Schon klar, an Tagen wie diesen fliegen Floskeln durch die Welt. Unbedacht, macht man halt, gehört dazu. Dabei: Ein gutes Neues Jahr zu wünschen ist doch genial. Genau das wünschen wir uns alle – nicht nur die Kranken und Schwachen: ein GUTES Neues Jahr.

 

Wie wär’s, wenn wir die Wünsche konkretisieren? Zum Beispiel:

„Wünsch’ dir ein gutes Neues Jahr, und dass deine Ärzte eine Lösung finden. Ich bin für dich da!“

„Wünsch’ dir, dass eure Beziehung wieder stabil wird. Ruf mich an, wenn du reden möchtest!“

„Ich wünsche dir ein gutes Neues Jahr und dass du bald einen neuen Job bekommst. Ich hör’ mich auch um!“

 

Es ist definitiv einfacher, ein gedankenloses „gutes Neues“ rauszuhauen. Sagt sich leicht, es floskelt und wabert und verpufft schließlich. Stattdessen könnte man auch „links überholen“ rufen. Wobei, das ist ja schon wieder witzig. Ich stelle mir die Lady hinterm Tresen vor, die von mir ein „links überholen“ zu hören bekommt. Das wäre ja ein Anknüpfungspunkt, mit ihr übers neue Jahr zu sprechen. Ich werde davon berichten…

 

In diesem Sinne – ich wünsche euch, dass ihr Gott kennenlernt. Ganz neu oder von einer anderen Seite. Ich wünsche euch Zeiten des Jubelns und Zeiten des getröstet Werdens.

Gott geht nicht.

Oder um es mit Dietrich Bonhoeffer zu sagen: „Gott ist mit uns am Abend und am Morgen, und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“