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Mit weißen Haaren

Enkelin Minea hockt beim Friseur. „Nur die Spitzen, mehr nicht“, sagt sie und lehnt sich in den Sessel zurück.
Beim Durchkämmen entdeckt die Friseurin ein graues Haar.
„Uh“, ruft sie, „das mach’ ich dir aber weg, oder?“
Sie zieht das graue Haar in Richtung Himmel.
Minea schüttelt den Kopf und sagt: „Nee! Mein Opa hat auch weiße Haare!“

Yess!

Ist das nicht genial?
Vermutlich wird sie in fünf, spätestens zehn Jahren anderer Meinung sein. Doch nur das heute zählt. Heute (!) interessiert sie’s nicht, wieviel graue Haare auf ihrem jungen Haupt heranwachsen. Warum? Weil es da jemand gibt, den sie mag, der lässig mit seiner weißen Haarpracht umgeht und den’s überhaupt nicht juckt, was andere davon halten oder sagen.

Bei den superfrommen Gesprächen lautet eine der vier Schlussfragen:
„Welches Buch hast du mindestens zweimal gelesen?!?“
Die Antworten der vergangenen Gäste klangen abgesprochen:
„Im Schatten des Allmächtigen – das Tagebuch Jim Elliots“  – geschrieben von seiner Frau Elisabeth.

Das ist harte Kost! Denn Jim wurde im Alter von 29 Jahren von den Auca-Indianern getötet – dem Indianerstamm, der aus Jims Mund die Botschaft von Jesus hören sollte.

Wieso ist diese Geschichte vorbildtauglich?
Ganz ehrlich: Dann doch lieber weiße Haare auf dem Haupt als einen vergifteten Speer in der Brust.

Ich vermute, dass sich Jim Elliot in seiner Freizeit weder mit ausgeblichenen Haaren noch mit altersbedingten Ermüdungserscheinungen beschäftigte. Vielmehr dachte er an Jesus. Und an Jesus. Und an die Statements von Jesus. Er wollte dem, an den er glaubte, kompromisslos nachfolgen. Egal wohin, egal wie lange.

Wer sich ins Buch vertieft, dem begegnet ein junger Mann voller Zweifel, Ängsten und Misserfolgen. Zunächst. Denn: Ein kompromissloser Glaube fällt nicht vom Himmel. Sich eine solche Einstellung zu wünschen ist der Ausgangspunkt; diese sich zu eigen machen erfordert harte Arbeit.
Erst nach und nach wird er zu dem Mann, den viele heute als ihr Glaubensvorbild bezeichnen. Und hier geht’s nicht um das Ertragen grauer Haare, sondern um konsequent gelebtes Christsein – wenn es sein muss, bis in den Tod.

Jesus first.
Sagt sich leicht. Singt sich leicht. Schreibt sich leicht. Lebt sich’s auch leicht?
Nope.
Um zu wissen, was das bedeutet, braucht’s die Begegnung mit Jesus. Wie? Neues Testament aufschlagen und ersten Kontakt herstellen. Lesen. Beobachten. Dann die Selbstprüfung – ob es über eine verbale Bereitschaft hinausgehen soll.
Und schließlich folgt der wackelige Schritt von der Theorie in die Praxis.

Jesus first – das ist keine einmalige Entscheidung im zarten Jugendalter.
Wer mit Jesus leben möchte, wird immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt. Schon klar, nicht jeden erwartet im Rentenalter eine Reise zu den Auca-Indianern … – doch die Bereitschaft zum Verlassen der so wunderbar eingerichteten Komfortzone gehört eben doch zur Grundausstattung eines Christen.
Und hierfür gibt es keine Altersbeschränkung. Weiße Haare sind definitiv kein Freibrief zum Abhängen in der frommen Chillerecke.