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Neue Welten

Die Frau hinterm Tresen wühlt in einer Schublade.
„Irgendwo muss das Zeug doch sein!“, schimpft sie und fängt einen Bleistift auf, der durch die Luft fliegt.
„Hier hier ist es!“ Sie hält mir einen durchsichtigen Plastikordner vors Gesicht und lächelt.
Ich weiß nicht, wonach sie auf der Suche ist. Unser Auto muss für ein paar Tage in die Werkstatt. Dafür bekomme ich einen Ersatzwagen und wollte nur die Schlüssel abholen. Dass ich der Frau hinterm Tresen den Tag versaue … das wollte ich nicht.
Sie legt den Ordner neben den Computer, schleckt über ihren rechten Zeigefinger und blättert sich durch den Inhalt. Kurz darauf hält sie ein schwarzes, hauchzartes Papier mit ihren Fingerspitzen fest.
Ich kenne dieses Teil. Von früher. Betrat jemand das Polizeirevier und erstattete Anzeige, musste die in mehrfacher Ausfertigung aufgenommen werden. Damals, im Prä-Computer-Zeitalter, benutzten wir Durchschlagpapier aka Blaupapier oder Kohlepapier.
Aber heute?!?

09. Januar 2024

Offensichtlich hat sich die Qualität nicht verbessert, denn die Frau schiebt mit schwarz angefärbten Fingerspitzen das dünne Kohlepapier unters Original, macht einige Kreuze und sagt dann: „Hier unten unterschreiben“. 
Und das alles im Jahr 2023. Im Zeitalter von KI. 

Vor wenigen Tagen haben wir alle gemeinsam mit dem Aufstieg auf den 2024er begonnen. Vor uns liegen noch weit über dreihundert Tage, bis wir die nächste Lebens-Etappe feiern können. 

Gibt’s Aktionen, die ihr euch fürs Jahr 2024 vorgenommen habt? Neue Wege, neues Wissen, neue Fertigkeiten geplant?
Oder wird nur das Durchschlagpapier benutzt - same procedure as every year?

Als die Jünger von Jesus wissen wollten, wie man richtig und gewichtig betet, ließ der Meister sich nicht zweimal bitten. 
„Vater unser“, fing er an. 
Viele von uns können das Gebet im Schlaf. 
„Dein Reich komme, dein Wille geschehe …“ - so geht es weiter. 

Gleich zu Beginn sind das zwei echt steile Aussagen. Da geht’s weder um meine Befindlichkeiten noch um die Erfüllung meiner Vorstellungen. Stattdessen ist da von „Gottes Willen“ die Rede. 
Und das ist definitiv ein „gefährliches“ Gebet. Immerhin teile ich dem Herrn der Heerscharen mit, dass er mein Bestimmer sein soll. 
Ist das so?
Oder: Soll das so sein?

Was, wenn mir sein Weg gegen den Strich geht?
Wenn mir seine Ansagen so gar nicht passen?

Checke ich seinen Willen mit meinen Vorstellungen ab? 
Und wenn’s einigermaßen passt, fange ich mit der Umsetzung an? Natürlich mit Rückgaberecht und diversen kleineren oder größeren Veränderungen, falls mir das alles zu heiß wird. 

„Das Christ sein ist ein Abenteuer“, sagt der ein oder andere. Ich gehöre auch dazu. 
Wenn ich den Gott-Vater darum bitte, dass er die Wegführung in meinem Leben übernehmen soll, kann ich zwei Begriffe komplett streichen: a) langweilig und b) Durchschlagpapier. 

Mit Jesus unterwegs zu sein ist definitiv abenteuerlich. Manchmal führt er mich tatsächlich an meine Grenzen. Und … darüber hinaus. Wege, die ich nicht niemals nicht im Traum nicht gegangen wäre. 
Ein Glück, dass ich mich durchgerungen habe, seinen Worten Glauben zu schenken. Meine Güte, ich hätte all diese genialen Erlebnisse und Erfahrungen niemals nicht gemacht; keine neuen Welten entdeckt; hätte den Sohn Gottes nicht erlebt; meine kleine Dorf-Welt hyggelig hummelig eingerichtet. Und dabei den offenen Himmel und die göttliche Gemeinschaft verpasst.  

Für die nächsten 300 plus nochwas Tage wünsche ich euch den Mut, aufs Durchschlagpapier zu verzichten. 
Ein gesegnetes Jahr euch allen!