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Pseudo - Lieblinge

„Silli, Schatz, ein Radfahrer! Rechts fahren!“ 
Der fürsorgliche Fahrrad-Papa lässt seine Kleine nicht aus den Augen.
Völlig zurecht: Ein vorbeitorkelnder Schmetterling ist viel interessanter als dieses blöde Geradeaus fahren. Oder die Freundin auf der anderen Straßenseite. Der Affe und das Krokodil auf einem bunten Plakat.
Dumm, wenn grade dann ein massives Bike zum Überholen ansetzt.
Erinnerung an mich: Finger an die Bremsgriffe und beim Überholen mit allem rechnen!

Bei den beiden funktioniert alles bestens: Die Kleine und Papa beherrschen das Kolonne-Fahren; die Pedale laufen rund, der Lenker verharrt wie festzementiert.

Weiter vorne pedalt Mama. Unschwer zu erkennen am großen Rucksack auf ihrem Rücken. Ein flauschiger Stofftierfellkopf wedelt im Wind – schon klar: Töchtern Silli unternimmt keine Ausfahrt ohne ihr Lieblingsstofftier.
Ich komme näher, setzte zum Überholen an und just in diesem Augenblick reißt der Stofftierhund die Augen auf; eine lila Zunge fällt aus seinem Maul und er zeigt mir seine spitzen Zähne.
Kann das Tier Gedanken lesen?
„Von wegen Stofftier, du Checker!“, kläfft der inkarnierte Fellkopf in meine Richtung.

Bisher kannte ich nur schlafende Hunde, die man besser nicht wecken soll; oder Wölfe, die sich unter einem Schafsfell versteckt über allzu leichtgläubige Beute hermachen.
Ich notiere eine weitere Spezies unter die Rubrik der „Pseudolieblinge“:
Stofftiere, die keine sind.

Nicht auszudenken, wenn ich dem Ist-nicht-Stofftier ans Maul gegriffen hätte. Den Phantomschmerz spüre ich sogar jetzt beim Schreiben. Ist so!

Dass auch wir im 21. Jahrhundert auf diese Pseudolieblinge hereinfallen, zeigt, dass der Mensch in Sachen „Aufmerksamkeit“ noch immer am Dazulernen ist: Schon Jesus warnte seine Nachfolger mit einer deutlichen Ansage vor diesen Verbrechern:
„Nehmt euch in acht vor denen, die in Gottes Namen auftreten und falsche Lehren verbreiten! Sie kommen zu euch, getarnt als Schafe, aber in Wirklichkeit sind sie reißende Wölfe.“ *

Das klingt so gar nicht nach besinnlicher Performance. Logisch, denn wer vor einem drohenden Unglück warnt, stimmt hierfür kein mehrstimmiges Liedchen an, sondern konfrontiert die Geliebten mit einem
a) klaren Statement, das keine Diskussion zulässt und
b) mit einer schonungslosen Offenheit.

Soll heißen: Schwätzer im Namen Gottes kommen / sie zerstören und zerreißen und und verderben Gläubige, die, aus welchen Gründen auch immer, den Blick für die heranstürmende Gefahr aus den Augen verloren haben.
Angeblich allwissende, machtgeile, sich selbst zu Gottes Sprachrohr erklärende Wölfe im Schafspelz gab’s schon immer. Deshalb gilt die Warnung von seinerzeit auch fürs 21. Jahrhundert.

Die letzte Instanz ist weder Emotion noch Verstand, sondern die Bibel. Das klingt nach Arbeit – ist aber immer noch besser, als gefressen zu werden.
Vollmundig vorgetragene Statements sind aufgrund des überbordenden Selbstbewusstseins des Redners nicht per se richtig.

Zweiter Check: Verbreitet der, der mir seine Ansagen ins Herz pflanzt, nur heiße Luft? Klafft zwischen Gesagtem und Handeln des beschafpelzten Wolfes ein Krater, müssen unsere Alarmglocken klingeln.

Und drittens: Zeit lassen. Nicht alles muss sofort umgesetzt werden. „Prüft alles“, fordert der Apostel Petrus seine Zuhörer auf. Soll heißen: Arbeite die Checkliste ab. Und dann entscheide.

Ein fleischgewordenes Stofftier im Rucksack ist witzig.
Ein Schaf, das vor meinen Augen zum Wolf mutiert, überhaupt nicht.