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SAOJAO

Freitagmorgen kurz nach acht. Der Campingplatz liegt da wie ausgestorben. Selbst die Hunde schlafen noch im Vorzelt.

Ich schlurfe mit dem Geschirr vom Vorabend in Richtung Waschhaus und staune nicht schlecht: Fünf von sechs Spülbecken sind in Benutzung; braun gebrannte Männer in meinem Alter beugen sich über Teller und Pfannen. Keiner spricht.
Also schweige ich auch und stelle mich an den einzig verbleibenden Wasserhahn und starte die Reinigungsprozedur: Spülmittel in den Trog, mit der rechten Hüfte dem Wasserdrücker einen leichten Schlag verpasst und los geht’s.

Ist einer der Mitspüler fertig, brummt er einige Worte in den morgendlichen Sommerhimmel und verlässt die Spülstätte.
Die anderen knurren zurück. Es klingt nach „salü“ oder „Sellerie“.
Ich verstehe die Worte nicht. Es ist definitiv nicht „au Revoir“. Das wiederum ist eins der zehn Worte, die ich aus dem französischen FF beherrsche.

Schon wieder verschwindet einer brummend aus dem Waschhaus. Die anderen grummeln zurück.
So langsam komme ich ans Ende meiner Spülerei. Was sagen? Mich schweigend vom Acker machen? Auf keinen Fall. „Au Revoir“ sagen?!?
Klingt zu spießig.

Ich umklammere meinen Waschtrog, gehe an den Spüljungs vorbei und brumme „saojao“ oder so ähnlich. Und die Zurückgebliebenen? Brummen zurück.
Wahnsinn!
Yess!
Prüfung bestanden. Ich bin einer von ihnen!

Nach ein paar Metern bleibe ich stehen; ich will wissen und hören, ob sich die Waschhausjungs ihre französischen Akzente aus dem Leib brüllen. Aber – hinter der Mauer bleibt alles ruhig.
Mein Trick hat tatsächlich funktioniert!

So tun, als ob.
Mitreden, um gut anzukommen.
Kopieren, um Aufwand zu sparen.
Fake News verbreiten, weil die Message einem ins Lebenskonzept passt.
Willkommen in der Gegenwart – nicht nur Politiker:innen beherrschen Copy & Paste.

Jesus erzählt eine Story*, in der er auf den Punkt bringt, dass bloßes Mitläufertum oder das Beherrschen frommer Vokabeln falsch, ja sogar gefährlich ist.

Seine Geschichte handelt von einer Hochzeit. Der Bräutigam, so Jesus, steht im Stau.
Die Brautjungfern, deren Job es ist, vor dem Bräutigam herzulaufen und ihn den anderen anzukündigen, müssen warten. Und warten. Und immer noch warten. Aus Abend wird Nacht, Stress verwandelt sich in bleierne Müdigkeit und die Ladys schlafen ein.
Obwohl’s noch dunkel ist, wird’s unruhig vor der Feierstätte:
Der Bräutigam kommt! Endlich!
Für die Ladys macht sich Hektik breit – jetzt wird’s ernst: Fackeln anzünden, anmutig vorauslaufen und vielleicht ein bisschen singen.
Problem: Nicht alle haben’s Öl für die Beleuchtung dabei.

Einige von ihnen sehen aus wie die perfekte Brautjungfer aus dem Hochzeitshochglanzmagazin: bildschön, top gestylt; die Abläufe eintrainiert; die Tradition geliebt.
Aber Öl?
Welches Öl?

Die Folge: Das gesehen werden, vorauslaufen und anmutiges abdancen hat sich erledigt. Und die Tür bleibt zu.
Keine Feier für die Mitläufer.

Christ sein spielen hilft nichts. Selbst das Aufsuchen eines sonntäglichen Gottesdienstes verhilft zu keinem Eintrag ins göttliche Oktavheftchen aka „Buch des Lebens“.
Das Kopieren eines frommen Lebensstils ist nutzlos – schlimmer noch: ist Jesus zuwider.
Sondern: Der Glaube an Gott und Jesus ist geprägt von einem persönlichen Miteinander; ist Beziehung und keine Theorie.

Ein bisschen „saojao“ ins Waschhaus brummen macht aus uns noch keinen Franzosen. Hier und da ein paar fromme Vokabeln fallen lassen und sich einen christlichen Lebensstil zulegen (wie auch immer der aussehen mag), bringt uns nicht in den Himmel.
Vorformulierte Gebete ablesen, ein paar Hilfeschreie in Richtung Himmel brüllen auch nicht.

Die zwei Fragen, die Jesus seinen Zuhören indirekt stellt, lauten:
„Glaubst du an mich?“
und:
„Bist du bereit, mir zu dienen und nachzufolgen?“

Von dieser Antwort hängt unsere Zukunft ab.

Herzlichst, wo immer ihr gerade seid,
Thomas Meyerhöfer
werdet superfromm! 

* Neues Testament, Matthäusevangelium, Kapitel 25 ab Vers 1