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Träumer

Sie hockt in der Sonne und hält eine rosa Tasse in der Hand. Ich bin auf der Suche nach ansprechenden Motiven, quatsche sie an, setze mich zu ihr und wir erzählen aus unseren Leben.

Sie spricht davon, wie sie ihren Bürojob nach zwanzig Jahren an den Nagel gehängt und etwas völlig Neues begonnen hat.
„War nicht einfach und ist es heute noch nicht“, flüstert sie fast.
„Bereust du’s?“, frage ich nach.
Sie schüttelt den Kopf und lächelt dabei.

Man muss nicht in einem Bürojob jahrelang ausgeharrt haben, um zu wissen, was da vor sich geht: Rechner hochfahren, Kaffee machen, Exceltabellen erstellen, Telefongespräche, Termine canceln, linke rechte Maustaste, Kaffeeecke, Flurfunk checken. Nicht jedem gefällt das.
In einem solchen Klima gedeihen Wunschträume. Die an den Rechner geklebten Postkarten füttern den Traum.

Schon klar, wir werden ständig dazu aufgefordert, unseren „Traum zu leben“.
Ja ja coole Rede, Mann.

Und wer spricht über die Kosten?
Das zurücklassen?
Den extrem hohen Aufwand?
Das Abschied nehmen?
Oder das Gefühl der Scham, weil man es nicht geschafft hat?! ?

Sich den Platz auf dieser Welt zu suchen, an dem du ganz genau richtig bist … ist ein super Ziel – das es verdient, mit ganzer Kraft, Einsatz und Entschlossenheit angepackt zu werden.

Mein Künstlerneffe möchte an einer bestimmten Uni studieren, die Möglichkeiten bietet, um seine Fähigkeiten zu vertiefen. Er hat schon zwei Versuche unternommen und genauso viele Absagen erhalten – und das, obwohl seine eingereichten Werke der Burner sind (nein: Das ist KEIN Onkelbonus!).
„Ich geb nicht auf!“, schrieb er mir in einer WhatsApp.
Also: auf ein Neues. Wochenlang die Nacht zum Tag machen, eine dritte Mappe voller kreativer Entwürfe erarbeiten.
„Du schaffst es, Basti!“

Wir sind seit einer Woche unterwegs, um Geschichten zu sammeln. Im Vergleich zu den bisherigen Touren ist diese etwas schwieriger. Leute sagen Termine ab, den Campingplatz bewerte ich wohlwollend mit 0,5 von 5 Sternen und die schwülen 30 Grad sind auch nicht gerade erheiternd. Vor dem Mobil sitzen und arbeiten geht nicht, weil der Hochwasser führende Fluss neben Treibholz auch Millionen von Stechfliegen im Gepäck hat. Also: Schwitzen im Mobil.

„Lebe deinen Traum?! ?“
Von mir kriegt diese Aussage einen dicken Daumen nach oben.
… Weil schon die Suche nach dem eigenen Traum enorm spannend und herausfordernd ist
… weil es nichts Schöneres gibt, als über neue Erfahrungen und Begegnungen nachzudenken
… weil selbst Niederlagen einen für die Zukunft fähig machen
… weil Frust genauso wie Höhenflüge zum Leben dazugehören

Keinem von der „Traum-Wandlern“ wird sein Leben auf dem Silbertablett serviert. Auch nicht von Gott, Jesus und auch nicht von den Engeln.
Es ist harte Arbeit. Immer und überall.
Stellen sich jedoch erste Erfolge ein, gelingen Vorhaben, überschreiten wir Grenzen … dann sind diese Gefühle der Burner – und durch nichts zu toppen! Auch nicht von einer Stechfliegenarmee.

 

Bildnachweis: shutterstock / Jorm S