was wir verlieren können
Vergangenen Sonntag saß ich in einer Sporthalle in Köln, eingekeilt zwischen der harten Holzbank und einem brüllenden Vater. Mein achtjähriger Enkel spielte Basketball. Sein Team, eine Ansammlung kleiner, aber ehrgeiziger Körper, stolperte durchs Spiel, während die andere Mannschaft spielte, als wären sie mit dem Ball geboren worden.
Ihre Pässe? Nicht von schlechten Eltern. Ihre Würfe? Manchmal schon arrogant sicher. Und mein Enkel und seine Freunde? Nichts wollte gelingen. Der Frust war ihnen ins Gesicht geschrieben, vor allem, wenn ein Wurf wieder am Ring abprallte.
Neben mir war der Vater, und er war nicht irgendein Vater. Er war der Vater, der ruft, bis jeder in der Halle weiß, wer sein Sohn ist. Jedes Dribbling kommentierte er. Jede falsche Bewegung. Und immer, immer diese Stimme, die dröhnte: „Schneller! Beweg dich! Du machst doch alles falsch!“ Immer wieder rief er auch: „Wach auf! Wach auf!“, als sei der Junge nicht schon wach genug. Der Junge war vielleicht zehn, schlank, mit knochigen Knien, die ein wenig zu groß für ihn schienen. Anfangs hob er den Finger zu den Lippen, ein stiller Protest: „Bitte, Papa, hör auf. Lass mich einfach spielen.“ Aber das reichte nicht. Sein Vater schrie weiter, wilder, bis der Junge schließlich zu ihm hin musste, als wäre er ein Spieler, der vom Coach aus dem Spiel geholt wird. Nur, dass es keine Strategiegespräche gab, sondern Kritik. Wellen davon.
Der Junge ging zurück aufs Spielfeld, die Schultern schwer von Worten, die man eigentlich in sich hineinbeißen sollte. Dann passierte es: Er bekam den Ball. Direkt vor dem Korb. Kein Gegner in Sicht. Nur er, der Ball und der Korb. Die Halle hielt den Atem an, und für einen Moment glaubte ich, dass dies seine Chance war. Aber anstatt zu werfen, passte er den Ball weiter. Irgendwohin. Ins Getümmel.
Sein Vater stöhnte auf, warf die Hände in die Luft, und der Junge? Der Junge war weg. Nicht physisch – seine knochigen Knie liefen noch übers Spielfeld –, aber alles, was ihn vorher lebendig gemacht hatte, war erloschen. Der Funke, der Mut, das Spiel selbst. Er endete als Schatten seiner selbst, verloren in einer Mannschaft, die ohnehin schon verloren hatte.
Ich saß dort, die hölzerne Bank unter mir hart wie die Szene vor meinen Augen, und dachte an Gott. Dachte daran, wie oft wir selbst auf dem Spielfeld des Lebens versagen. Wie oft wir danebenwerfen, die falschen Entscheidungen treffen. Und ich dachte daran, wie Gott hätte sein können. Wie dieser Vater. Er hätte uns von außen reinrufen können, laut, voller Wut: „Jetzt reiß dich mal zusammen! Bist du zu blöd, den Ball in den Korb zu werfen?“
Aber das ist nicht Gott. Gott sagt nicht: „Spiel besser, oder du bist raus.“ Jesus sagt, dass er den glimmenden Docht nicht auslöscht, das geknickte Rohr nicht zertritt. Genau das meine ich: Gott lässt uns nicht zerbrechen. Er nimmt uns nicht aus dem Spiel, wenn wir versagen. Stattdessen ermutigt er uns, hält uns, selbst wenn wir denken, dass nichts mehr geht.
Der Junge auf dem Spielfeld hatte diesen Halt nicht. Seine Eltern hatten ihm das genommen. Aber wir – wir dürfen in Gottes Mannschaft spielen. Wir dürfen danebenwerfen, den Ball verlieren, uns irren. Und Gott? Gott reicht uns trotzdem immer wieder den Ball zurück. Nicht, weil wir so gut sind. Sondern weil er uns liebt. Und weil er uns etwas zutraut, selbst wenn wir uns längst nichts mehr zutrauen.