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wenn nichts hilft

Da ist mein Freund.
Oberflächlich betrachtet läuft in seinem Leben alles schief. Und das seit vielen Jahren.
Ein solches Dasein zu ertragen oder … ertragen zu müssen, ist eine extreme Herausforderung.
Einziger Halt und Lichtblick in seinem Leben musste vor einigen Wochen eingeschläfert werden. Nachdem sein Hund nicht mehr war, wollte er auch nicht mehr leben.
Mit letzter Kraft stemmt sich mein Freund gegen die Stimmen in seinem Kopf.
Dann der Verkehrsunfall. Ausgelöst durch einen epileptischen Anfall. Sein erster. Krankenhaustage. Ein langes Jahr darf er in seinem Auto nur noch probesitzen.
So ist sein Leben.

Ein Tag ohne Hiobsbotschaft ist ein gelungener Tag.

Apropos Hiob… der wollte auch sterben. Dieser Mann aus der Bibel, dem alles genommen wurde, der unheilbar krank mit spitzen Gegenständen seine Eiterbeulen aufkratzte … der wollte und konnte auch nicht mehr.
Zeigten sich erste Lichtstreifen am Himmel, sehnte er sich in die Nacht. In der Dunkelheit starrte er in den schwarzen Himmel und wartete auf den Sonnenaufgang. Zeit heilt eben nicht alle Wunden. Nicht die von Hiob.
Schmerz ohne Verbesserung führt in den Wahnsinn.

Der Mann kauert an der Grenze zum Totenreich – und muss außer mit sich, der Trauer und den Schmerzen auch noch mit drei Schmalspurtheologen diskutieren. „Freunde“, werden sie in der Bibel genannt. Tragischerweise sehen sich seine Kumpels dazu berufen, ihm, dem Sünder, geistliche Ratschläge zur schnellen Leidensverbesserung auf die Seele zu pressen.
Na ja … wer solche Freunde hat …

In den Anfängen meiner Monsterjahre schwappte auch ein Sprüchesturm ins dunkle Leben. Meist wahllos aus dem Zusammenhang gerissene Fragmente aus dem Bibelbuch ploppten in meinen E-Mail-Kasten und wollten gelesen werden.
Im Gegensatz zu Hiob schaffte ich es nicht, mich auf Diskussionen einzulassen.
Nope, aufs Steine werfen wird verzichtet und der ausgestreckte Zeigefinger bleibt in meiner Hosentasche.

Warum tun wir uns so schwer?
Erstens: Hilflosigkeit. Was soll/kann/darf ich einem Leidenden sagen? Jesus hat ja immer geholfen. Damals. Und heute kann er das auch. Kann? Kann. Aber wenn bei dir, warum nicht bei mir?
Zweitens: kein Interesse. Besuche am Krankenbett oder in der Klinik nur aus Pflichtgefühl? Besser nicht.
Drittens: sprachlos. Wir. Und fromm dazu. Widerspricht sich das nicht? Nein.
Viertens: Der Psalm 23 muss nicht immer zitiert werden. Außer, er kommt von Herzen. Aber dazu nächste Woche im nächsten Newsletter mehr dazu.

Gut möglich, dass vor deinem geistigen Auge die Umrisse eines Menschen auftauchen. Jetzt. Beim Lesen dieser Zeilen. Und du ekelst dich vor dir selbst, weil du auf dessen „eitriges Geschwür“ ein kleines Pflästerchen mit Biene-Maja-Aufdruck geklebt hast.
Zugegeben, das war suboptimal. Aber – das haben außer dir schon alle anderen auch gemacht. Und diese Zeilen schreibe ich aus der „Drei-Freunde-Perspektive“… in einer Woche im nächsten Newsletter mehr dazu. Aber das sagte ich ja schon.

Von daher: Sollte jemand … auftauchen … vor deinem geistigen Auge … starte einen neuen Versuch. Ohne Biene-Maja-Pflaster. Die Bibel lass im Täschchen stecken. Vorerst. Reich diesem Menschen die Hand. Oder ein Taschentuch. Oder eine Tonscherbe zum Aufkratzen seiner Eiterbeulen.
Ratschläge braucht er keine. Er hat ja schon Schmerzen genug.