Kannst du davon leben?
Die Lounge ist gut gefüllt. Ich lass´ mich in den letzten freien Ledersessel fallen und zerre den Laptop aus der Tasche. Mir bleibt eine Stunde bis zum nächsten Date. Also: Zeit zum Schreiben. Noch ein kurzer Rundumblick, während der Rechner hochfährt: Gegenüber hockt ein Typ und starrt mir ins Gesicht.
Nur Sekundenbruchteile später weiß ich: Wir kennen uns. Gleiches Studium, gleicher Ort, nur dass er bei meinem Studienbeginn schon seine Ziellinie vor Augen hatte. Seit seinem Abschluss hatten wir nichts voneinander gehört - trotzdem wiedererkannt, und das nach siebenundzwanzig Jahren.
Nach dem Begrüßungshallo bringen wir uns auf den neuesten Stand. „Ich arbeite in der Verwaltung“, sagt er, „und du? Ich habe von jemand gehört, du bist bei …“.
Ich schüttle den Kopf. „Schriftsteller“, unterbreche ich ihn, „und Youtuber.“
Er legt seinen Kopf schief, grinst und sagt: „Und… davon kann man leben?!?“, will er wissen.
So ist das. Wer ausschert und eingetretene Pfade links liegen lässt, muss mit solchen Fragen leben. Ganz davon abgesehen hat man sich genau damit schon oft und ausgiebig auseinandergesetzt. Doch trotz Finanzplan, Steuervorauszahlung, Fixkosten, Ersparnissen und all den Kalkulationsspielchen durchwachter Nächte gibt es nicht DIE Sicherheit schlechthin.
Kann man davon leben? Irgendwann vielleicht. Vom Schreiben. Vom Filmen. Vom Kochen. Vom Singen. Vom Schreinern. Vom Malen. Blumen binden. Menschen betreuen. Pflegen.
Bis dahin zum Ziel ist es harte Arbeit. Es ist das Reduzieren seiner Wünsche auf den einen Großen. Ein Fallen und Aufstehen. Ein Beantworten solcher und anderer Fragen. Jeder neue Tag braucht neue Motivation. Nichts ist wie gestern. Und trotzdem: Man kann davon leben. Definitiv. und sogar mehr als das: Man lebt. Schon jetzt.